Am Beispiel der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB), nur einem Beispiel von vielen, lassen sich die bereits erläuterten Kritikpunkte verdeutlichen:
Erstens: 1999 veräußerte der Berliner Senat 49,9 Prozent der BWB an die transnationalen Unternehmen RWE (Essen) und Veolia (Paris) für umgerechnet ca. 1,69 Mrd. Euro. Allerdings verpuffte diese einmalige Einnahme im ohnehin schon maroden Berliner Haushalt weitestgehend.
Zweitens: Trotz der verbleibenden faktischen Anteilsmehrheit des Landes Berlin hatten die Manager von RWE und Veolia sofort die Zügel in der Hand, was durch das Ersinnen einer ungewöhnlich komplizierten Rechtskonstruktion (Holding-Modell) erreicht wurde. Dieses Konstrukt, bei welcher ein öffentlich-rechtliches Unternehmen unter die Kontrolle zweier privater Konzerne gestellt wurde, kann als Steuerfluchtmodell bezeichnet werden.
Drittens: Vertraglich war vereinbart, dass bis Ende 2003 keine Preiserhöhungen erfolgen durften. Zum 1.1.2004 wurden sie dann um 15 Prozent, im Jahr 2005 um 5,4 Prozent und zum Jahresanfang 2006 um 2,5 Prozent erhöht – insgesamt also bisher um ca. 23 Prozent. Selbst eine Klage auf Einsicht in die Tarifkalkulation der BWB, die der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen vornahm, wurde mit der Begründung abgewiesen, die Tarifkalkulation enthalte vertrauliche, unternehmerische Daten.
Viertens: Die „Teilprivatisierung“ 1999 wurde in Form von Geheimverträgen zwischen der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft und RWE/Veolia realisiert, welche sowohl der Mehrheit der Abgeordneten unbekannt waren, als auch weiterhin für die Allgemeinheit unter Verschluss bleiben. Innerhalb dieser Verträge wird den privaten Anteilseignern eine jährliche Rendite von mindestens acht Prozent nicht etwa auf den Kaufpreis der Investoren (1,69 Mrd.), sondern auf das „betriebsnotwendige Kapital“ (steigend) zugestanden – und das garantiert bis zum Ende des Vertrages im Jahr 2028. Um die Preise nicht weiter steigen zu lassen, verzichtet das Land Berlin inzwischen sogar auf große Teile seiner Konzessionsabgabe. So ergaben sich durch den Verzicht zwischen 2000 und 2005 lediglich Einnahmen in Höhe von 171 Mio. Euro für Berlin, RWE und Veolia bekamen zusammen immerhin 495 Mio. Euro.
Fünftens: Zwar wurde vereinbart, dass bis zum Jahr 2014 keine betriebsbedingten Kündigungen erfolgen dürfen. Dennoch ist durch interne Umlagerungen und Vorruhestandsregelungen bislang die Beschäftigtenzahl von 6262 (1999) auf 4.950 Mitarbeiter (2006) reduziert worden, betrachtet man Vollzeitarbeitsplätze, so sind es derzeit eigentlich nur noch 4.500.
Sechstens: Mit der Teilprivatisierung wurden die Neuinvestitionen zurückgefahren. Folge davon ist nicht nur der Verlust von zirka 8.000 Arbeitsplätzen bei regionalen Unternehmen und Zuliefererbetrieben. Auch die langfristige Qualitätssicherung des Berliner Wassers und eine ökologische Nachhaltigkeitssicherung sind gefährdet. Anhand dieser sich noch lange nicht erschöpfenden Auswahl an Fakten rund um die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe wird das Ausmaß von Privatisierungen deutlich. Der Verkauf von Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge bringt nicht nur Preissteigerungen für die Verbraucher, es erfolgt auch keine Entlastung der öffentlichen Haushalte. Im Gegenteil: Die Haushalte werden langfristig weiter belastet. Die zur langfristigen Qualitäts- und ökologischen Nachhaltigkeitssicherung benötigten Investitionskosten werden heruntergefahren. Nicht zuletzt hat die Allgemeinheit die gesellschaftlichen „Kosten“ zu tragen, die dem Arbeitsplatzabbau folgen.
Bleibt das Fazit, dass mit der Übersetzung des Wortes „privare“ = „rauben“ (aus dem Lateinischen) alles über das Wesen von Privatisierungen gesagt ist – der Raub am öffentlichen Gut zugunsten privater Profitmaximierer.
Mathias Behnis