Anlässlich des Amtsantritts des neuen Berliner Finanzsenators Ulrich Nußbaum wollen wir ihm an dieser Stelle noch einmal viel Erfolg bei seiner Arbeit wünschen. Einfach wird er es nicht haben, wenn man sich das Erbe des früheren Finanzsenators Thilo Sarrazin (SPD) genauer anschaut. Seine Arbeit als früherer Bremer Finanzsenator qualifiziert Nußbaum auch nicht unbedingt zum Berliner Problemlöser.
Die finanzielle Lage Berlins bleibt weiterhin dramatisch. Zwar mussten zuletzt erstmals keine neuen Schulden angehäuft werden und der enorme Schuldenberg von 61 Milliarden Euro (2007) konnte um etwa eine Milliarde Euro verringert werden. Allerdings ist dies nicht auf eine nachhaltige Konsolidierungspolitik Sarrazins, sondern auf glückliche Umstände vor Allem in Form kurzfristiger und überraschend hoher Steuereinnahmen zurückzuführen. Die erdrückende jährliche Zinslast von knapp 2,5 Milliarden Euro lähmt die Berliner Politik auch in Zukunft. Und vom Ziel eines langfristig ausgeglichen Haushaltes sowie eines spürbaren und kontinuierlichen Schuldenabbaus, das der rot-rote Senat seit Jahren beschwört, ist die Hauptstadt weit entfernt. Denn in den vergangenen Jahren stiegen die jährlichen Ausgaben des Landes stetig – von seinem Sanierungskurs ist der Senat, Allen voran der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), längst abgerückt.
Ebenso „rosig“ ist die Lage der landeseigenen Unternehmen und der Berliner Beteiligungsunternehmen. Wohl um einen ruhigen Abgang bemüht, hatte der bisherige Finanzsenator Sarrazin eine Woche vor seinem Wechsel zur Bundesbank in einer Bilanz die Situation der fast 60 Berliner Beteiligungsunternehmen und landeseigenen Betriebe zu schönen versucht, indem er in einer für ihn typischen Zahlenjonglage einen wenig aussagekräftigen „Nettogewinn unterm Strich“ aller Unternehmen hervorhob. Grundsätzliche strukturelle Problem bei vielen Betrieben erwähnte er entweder nur am Rande oder gar nicht.
So drohen beispielsweise in diesem und den kommenden Jahren unbeherrschbare finanzielle Risiken bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG). Diese entstanden hausgemacht durch riskante Cross-Border-Leasing-Geschäfte. Das jetzt schon hoch verschuldete Unternehmen wird dadurch in dreistelliger Millionenhöhe zusätzlich belastet werden. Das so etwas nicht passiert, dafür hätte eigentlich der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende Thilo Sarrazin sorgen müssen. Den Schlamassel ausbaden dürfen, wie so oft, Steuerzahler und Fahrgäste.
Auch ließ Sarrazin in seiner Darstellung unerwähnt, dass vom in 2008 offiziell erwirtschafteten Gewinn der Berliner Wasserbetriebe (BWB), die seit 1999 nur noch auf dem Papier mehrheitlich (50,1 %) dem Land Berlin gehören, zuvor bereits mehr als 125 Millionen Euro an die privaten Anteilseigner RWE und Veolia gezahlt wurden.
Auf die Frage, wie nicht nur bei den Wasserbetrieben, sondern bei allen Berliner Unternehmen Gewinne zu Stande kamen, ging Sarrazin erst gar nicht ein. Dass dies durch stetige Gebühren- bzw. Tariferhöhungen, stetigen Arbeitsplatzabbau, stetigen Investitionsrückgang und stetige Privatisierungen – wie bei den Wohnungsbaugesellschaften – passierte, hätte sich als Antwort wohl nicht allzu gut gemacht.
Doch zurück zu Ulrich Nußbaum. Die Wirkung seiner Arbeit als Bremer Finanzsenator zwischen 2003 und 2007 lässt wenig Zuversicht auf eine Verbesserung der finanziellen Situation Berlins aufkeimen. Im ebenfalls hoch verschuldeten Bremen (die Pro-Kopf-Verschuldung in Bremen ist die höchste in der Bundesrepublik, Berlin liegt an zweiter Stelle) konnte Nußbaum trotz hoher Bundeshilfen keine Verbesserungen der Landesfinanzen erreichen. Das Einzige, was dem Tiefkühlfischhändler Nußbaum einfiel, waren Privatisierungen und skandalträchtige Public Private Partnership-Projekte wie beim Klinikum Bremen-Mitte. Allerdings sollen ihm die Bremer Grünen angeblich das Durchsetzen von mehr Transparenz und das Ende von Schattenhaushalten in der Hansestadt hoch anrechnen – was doch einen kleinen Funken Hoffnung für Berlin nicht erlöschen lässt.
Wenn man sich die Reihe der ehemaligen Berliner Finanzsenatorinnen und Finanzsenatoren betrachtet, wird deutlich, dass die Messlatte für eventuelle Erfolge nicht allzu hoch hängt. Herr Nußbaum kann eigentlich nicht viel falsch machen. Sein Vorgänger überlebte immerhin die Skandale um das Tempodrom und das Spreedreieck – was soll da für Nußbaum noch schief gehen?
Mathias Behnis