Mit seiner »AG Klärwerk« will der Berliner Wassertisch die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe aufarbeiten.
Die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe und die daraus resultierenden Preissteigerungen für eines der wichtigsten Grundversorgungsgüter spielen in der Berliner Politik weiterhin eine große Rolle. Im Februar 2011 gewann die Initiative Wassertisch mit über 666.000 Stimmen einen Volksentscheid, der die Offenlegung aller Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden zur Privatisierung gesetzlich festschreibt. Am 13. März trat das Gesetz in Kraft, und mittlerweile hat der Senat allen Fraktionen des Abgeordnetenhauses entsprechende Unterlagen zugesandt und behauptet, alle Verträge lägen offen, und das Gesetz sei damit umgesetzt. Der Wassertisch allerdings bezweifelt, dass nun wirklich alle vertragsrelevanten Unterlagen öffentlich zugänglich sind, und kritisiert zudem, dass der »rot-rote« Senat auf deren Grundlage mit RWE über einen Anteilsrückkauf verhandelt, anstatt die Verträge unabhängig prüfen zu lassen und möglicherweise anzufechten. Dass es gute Gründe gibt, das nun offiziell bekannte Vertragswerk nicht ungefragt hinzunehmen, wurde bei einer Veranstaltung des Wassertischs am 17. Mai deutlich.
Die Wasserbetriebe waren 1999 von der Koalition aus CDU und SPD zu 49,9 Prozent an die privaten Investoren RWE und Vivendi (heute Veolia) verkauft worden. Seit der Teilprivatisierung stiegen die Wasserpreise bislang um 35 Prozent. Die Bürgerinitiative Berliner Wassertisch kämpfte jahrelang für die Offenlegung der Verträge und hat jetzt mit dem »Klärwerk« eine eigene Arbeitsgruppe gegründet, die sich der Aufarbeitung der Teilprivatisierung im Detail widmen will. Bei der ersten öffentlichen Versammlung des »Klärwerks« referierten der ausgewiesene Kenner der Wasserbetriebe und Mitbegründer des Wassertischs Rainer Heinrich sowie die ehemalige SPD-Abgeordnete Gerlinde Schermer, die 1999 gegen die Teilprivatisierung stimmte. Beide erläuterten den komplexen Ablauf des Anteilsverkaufs und verwiesen auf zahlreiche Interessenskollisionen und Fragwürdigkeiten bei der Gestaltung von Teilprivatisierungsgesetz und -verträgen sowie beim damaligen Ausschreibungsverfahren. Allein aus diesem Grund müssten die Verträge angefochten werden, so Heinrich und Schermer. Auch sei durch die Veröffentlichung das bestätigt worden, was Kritiker der Teilprivatisierung zwar immer behaupteten, Senat und private Investoren aber stets leugneten: Die vertraglich geregelte Renditegarantie für die Privaten. Mit Paragraph 23 des Teilprivatisierungsvertrags hat sich das Land Berlin verpflichtet, im Fall von Ereignissen, die die Gewinne der Privaten schmälern könnten, einen finanziellen Ausgleich zu leisten. Entweder verzichtet es auf seine eigenen Gewinne, oder es bezahlt die Rendite aus dem Landeshaushalt. So bleibt für die Privaten so gut wie kein unternehmerisches Risiko – bezahlen muss der Berliner, entweder per Wasserrechnung oder per Steuerbescheid. Auch eine mögliche Änderung der Gesetzeslage oder Verfassungsgerichtsurteile werden im Vertrag dergestalt umgangen, dass das Land den Privaten daraus resultierende »wirtschaftliche Nachteile« auszugleichen habe. Der Vertrag hebelt also zusätzlich zur Gewinngarantie auch noch Verfassungsorgane aus. Kein Wunder, dass Senat und Private sich erst durch den Druck des Volksentscheids genötigt sahen, das skandalöse Machwerk zu veröffentlichen. Der Wassertisch will die im »Klärwerk« erarbeiteten Erkenntnisse nun mit Veranstaltungen, Infoständen und Publikationen weiter in die Öffentlichkeit bringen und sich auch aktiv in den anstehenden Berliner Wahlkampf einmischen.
Dss sich die Parteien schon jetzt vor einer Auseinandersetzung fürchten, wurde ebenfalls am 17. Mai deutlich. Ursprünglich sollte die »Klärwerk«-Sitzung im Abgeordnetenhaus stattfinden, musste jedoch auf andere Räumlichkeiten ausweichen. Man munkelt, Abgeordnete der SPD hätten sich dafür eingesetzt, den Wassertisch möglichst außen vor zu halten.
Benedict Ugarte Chacón
Erschienen in: junge Welt, 20.05.2011