Privatisierungslobby schlägt zurück


Mit einem Gutachten versucht die IHK gegen eine Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe Stimmung zu machen.

Nach dem von der Bürgerinitiative Berliner Wassertisch initiierten Volksentscheid zur Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge der Berliner Wasserbetriebe von 1999 setzte nicht nur die Politik die Themen Transparenz und Rekommunalisierung auf die Tagesordnung. Auch auf Unternehmensseite reagiert man verunsichert ob des deutlichen Misstrauensvotums der Bürger gegen die undurchsichtige Privatisierungspolitik der letzten Jahre. Während man sich bei den privaten Anteilseignern RWE und Veolia bislang elegant zurückhält und mit dem Senat in den bewährten Hinterzimmern verhandelt, bläst die IHK umso lauter ins privatisierungsfreundliche Horn. Mit einigem Tamtam präsentierte sie Ende März ein Gutachten, das belegen soll, dass die Berliner Wasserpreise bei einem schlichten Rückkauf der bislang noch privaten Anteile nur marginal sinken würden.

Im Vorwort der Studie heißt es, dass man angesichts des erfolgreichen Volksentscheids nun „einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion“ liefern wolle. Doch was sich den Mantel der vermeintlichen Sachlichkeit umhängt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als klar politisch motiviert. Dies wird schon im zweiten Absatz der Studie klar. Methodisch unsauber vermengen die Autoren die von vielen Akteuren geführte Diskussion um die zu hohen Wasserpreise mit dem Ansinnen des Wassertischs, die Wasserbetriebe rekommunalisieren zu wollen. Dabei unterstellen sie, dass der Wassertisch sich allein auf Grund der Wasserpreise für eine Rekommunalisierung einsetze. Diese Auffassung ist allerdings sträflich verkürzt, da es der Initiative um grundsätzliche Fragen zu Wasser und dessen Verteilung geht und nicht einfach nur um ein paar Cent Wasserpreis. Aber indem die Autoren diesen verkürzten Zusammenhang herstellen, legitimieren sie ihr methodisches Vorgehen. Sie referieren ein paar Rechenmodelle, die belegen sollen, dass ein einfacher Anteilsrückkauf sich nicht dergestalt „rechnet“, dass die Wasserpreise hinterher spürbar sinken. Das ist zwar vom Grundsatz her richtig – verfehlt aber das Thema Rekommunalisierung. Zumindest der Wassertisch will ja nicht einfach einen Rückkauf, sondern eine radikale Umstrukturierung der gesamten Wasserbetriebe. Strukturelle Transparenz und die Abschaffung der Gewinngarantien für die privaten Anteilseigner, die in den Teilprivatisierungsverträgen festgehalten sind, würden dazu beitragen. Hier jedoch halten sich die IHK-Autoren zurück, was allerdings der fast typisch unpolitisch-technokratischen Ausrichtung von Mainstream-Wirtschaftswissenschaftlern geschuldet ist.

Der bescheidene Ertrag der Studie ist schnell dargestellt: Würde das Land für angenommene 2,25 Milliarden Euro sämtliche Anteile an den Wasserbetrieben zurückkaufen, ergäbe sich bedingt durch die anfallenden Zins- und Tilgungszahlungen sowie Steuerausfälle ein Nettoeffekt pro Einwohner von lediglich 1,19 Euro pro Jahr. Sollten die Wasserpreise spürbar gesenkt werden, so könnte das Land auf das Grundwasserentnahmeentgelt verzichten oder seine eigene Gewinnentnahme reduzieren. Und wenn das nicht reiche, könnte man auch bei den Privaten anfragen, ob sie auf Gewinne verzichten würden, was für die Autoren seltsamerweise eine „realistische Option“ darstellt und die Frage aufwirft, wie viel Wirtschaftswissenschaftler eigentlich vom Kapitalismus verstehen. Das Ergebnis der Studie ist dann auch die wenig überraschende Erkenntnis, dass ein einfacher Rückkauf nicht zu spürbaren Preissenkungen führen würde, weswegen das für die privaten Investoren sehr einträgliche Modell der Berliner Wasserbetriebe am besten gar nicht mehr hinterfragt werden sollte: „Vor diesem Hintergrund fordert die IHK die Berliner Politik auf, die Debatte um eine Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe zu beenden.“

Der Berliner Wassertisch bewertete die Studie richtigerweise als „Gefälligkeitsgutachten im Interesse der IHK-Mitglieder RWE und Veolia sowie den einseitig auf Unternehmensinteressen ausgerichteten Parteien CDU und FDP“. Doch so lange die Gegner der Teilprivatisierung selbst keine tiefer gehenden Konzepte zu einer Rekommunalisierung vorlegen, ist es für Senat und Private ein leichtes Spiel, ständig auf vermeintliche Sachzwänge zu verweisen. Hier ist der Wassertisch gefragt – mehr denn je.

Benedict Ugarte Chacón

Erschienen in: motz – berliner straßenmagazin, ausgabe 12/11


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