Fragend schreiten sie voran


Berliner Wassertisch betreibt Aufklärung über Teilprivatisierung der Wasserbetriebe unbeirrt weiter

Es hat den trockenen Charme von Uni-Seminaren, wenn die Bürgerinitiative Berliner Wassertisch zu ihren öffentlichen »Klärwerk-Sitzungen« einlädt, um die Vorgänge um die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe minutiös aufzurollen. Diese waren 1999 zu 49,9 Prozent an die privaten Investoren RWE und Vivendi (heute Veolia) für 1,7 Milliarden Euro verkauft worden. Grundlage der Teilprivatisierung ist ein jahrelang geheimgehaltenes Vertragswerk zwischen dem Land Berlin und den Privaten, dessen Offenlegung der Wassertisch mit dem Volksentscheid am 13. Februar dieses Jahres erzwungen hatte. Die Arbeitsgruppe »Klärwerk« prüft die Verträge nun Paragraph für Paragraph. Dabei legt sie Wert darauf, sich die relevanten Kenntnisse in Gruppenarbeit anzueignen und so zu vermitteln, daß auch »Normalbürger« sie nachvollziehen können. Diese basisdemokratisch orientierte Arbeitsweise tut dem Niveau keinen Abbruch und unterscheidet sich deutlich vom elitären Gehabe, welches echte oder vermeintliche Spezialisten oft an den Tag legen.

Thema der Sitzung am Dienstagabend war die verdeckte Kreditaufnahme durch das Land Berlin im Zuge der Teilprivatisierung. Dies klingt komplex – und ist es auch. Den beiden Referentinnen, der Wassertisch-Sprecherin Ulrike Kölver und der ehemaligen SPD-Abgeordneten Gerlinde Schermer, die seinerzeit vehement gegen die Teilprivatisierung gekämpft hatte, gelang es jedoch, eine Schneise ins Dickicht aus Verträgen, Investmentmethoden und Verfassungsgerichtsurteilen zu schlagen. Der Wassertisch geht nach seiner Analyse von Folgendem aus: Im Paragraph 23 des Teilprivatisierungsvertrags ist eine »Gewinngarantie« für die Privaten festgehalten. Wenn die vereinbarte Rendite nicht allein mit den Einnahmen aus Wasserentgelten erzielt werden kann, verpflichtet sich das Land Berlin, entweder auf seinen Gewinn zu verzichten oder aus seinem Haushalt für die Gewinne der Privaten aufzukommen. Das Gleiche gilt, sollten Gesetzesänderungen oder Verfassungsgerichtsurteile Änderungen im Vertrag bedingen, die den Gewinn der Privaten schmälern könnten. Somit bleibt für die Investoren so gut wie kein unternehmerisches Risiko. Mit dem vorgefertigten Vertrag, der diesen Passus bereits enthielt, gingen die Privaten auf Kreditsuche. Denn, so Schermer in ihrem Vortrag, es sei gängige Methode, bei solcherlei Investments wenig Eigenkapital und viel günstig finanziertes Fremdkapital einzusetzen. Und für diese günstige Finanzierung war besagter Vertragspassus Gold wert. Die Privaten wandten sich an die Bayerische Landesbank (BayernLB) und erhielten dort einen Kredit zu Kommunalkreditkonditionen, was normalerweise der öffentlichen Hand vorbehalten ist. Im Fall der Berliner Wasserbetriebe sah die BayernLB die Haftung des Landes als Sicherheit an und gewährte den günstigen Kredit.

Der CDU-SPD-Senat, der die Teilprivatisierung in den 90er Jahren einfädelte, hatte dies damit begründet, daß so weitere staatliche Kreditaufnahmen und eine Verschuldung des Landes vermieden werden könnten. Da die Haftung des Landes aber aus dem Vertrag deutlich hervorgeht, handelt es sich nach Auffassung des Wassertischs um eine verdeckte öffentliche Kreditaufnahme: Das Land kommt im Zweifelsfall für die Rendite der Privaten auf, mit der sie u. a. ihre Kredite tilgen mit denen sie 1999 den Kaufpreis finanzierten. Berlin zahlt also, zumindest theoretisch, den seinerzeit erzielten Verkaufserlös über diesen Umweg ab. Dies ist eigentlich verboten. Deshalb folgert der Wassertisch, daß das Berliner Landesverfassungsgericht erneut in dieser Sache angerufen werden müßte. Dieses hatte 1999 nach einer Normenkontrollklage der Oppositionsparteien Grüne und PDS zwar befunden, daß hier keine verdeckte staatliche Kreditaufnahme vorläge, da ja die Berliner per Wasserrechnung die Auslagen der Privaten begleichen. Der damals noch geheime Vertrag lag dem Gericht aber nicht vor, so daß es über die Haftung des Landes für mögliche Renditeausfälle der Privaten nicht befinden konnte. Da diese und weitere Aspekte noch nicht geklärt sind, fordert der Wassertisch die unabhängige juristische Prüfung und letztlich die Anfechtung des Vertragswerks bei gleichzeitigem Stopp der Verhandlungen des Senats mit RWE über einen möglichen Rückkauf der verscherbelten Anteile.

Benedict Ugarte Chacón

(erschienen in junge Welt, 21.07.2011)


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