Der Böse Wolf erklärt Berlin
Geheimvertrag zum Verkauf der Berliner Landesbank erfolgreich abgenickt
Es war schon ein seltsames Schauspiel, was sich letzten Donnerstag den zum Berliner Gropius-Bau anreisenden Touristen bot. Vor dem gegenüberliegenden Abgeordnetenhaus parkten acht Mannschaftswagen der Polizei, in der Umgebung patrouillierten weitere Polizisten, als gelte es, höchste Gefahren von den Volksvertretern abzuwehren. Grund für dieses maßlos überzogene Polizeiaufgebot waren ein paar Aktivisten – vornehmlich aus der Initiative Berliner Bankenskandal – die vorher angekündigt hatten, anreisende Abgeordnete „konstruktiv zu belästigen“. Die Initiative begründete dies damit, dass die Abgeordneten an diesem Tag über einen Kaufvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) über den Verkauf der zur Landesbank Holding umbenannten Bankgesellschaft samt Sparkasse abstimmen wollten – allerdings unter geradezu konspirativen Bedingungen. So tagte ab 14 Uhr der Vermögensausschuss in nicht-öffentlicher Sitzung, im Anschluss daran der Hauptausschuss – ebenfalls hinter verschlossenen Türen – und ab 18 Uhr sollte das Parlament in nicht-öffentlicher Sitzung zusammentreten. Nachdem es im Ältestenrat des hohen Hauses einiges Hickhack gegeben haben soll, wurde für die Parlamentssitzung schließlich doch Publikum zugelassen. Doch diese Geheimniskrämerei war nicht das Einzige, was die Initiative beanstandete. Sie machte darauf aufmerksam, dass der besagte 500-seitige Vertrag vor der Abstimmung lediglich eine Woche im Geheimschutzraum des Parlaments auslag. Wenn auch einzelne Abgeordnete diesen Vertrag vor der Abstimmung wenigstens gelesen haben sollten, so war doch die einwöchige Frist viel zu kurz, um dieses Werk der internationalen Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer eingehend zu prüfen.
Die „konstruktive Belästigung“ konnte leider nicht wie geplant stattfinden, da die Polizei einige Aktivisten – darunter den Politikprofessor Peter Grottian – vorübergehend festnahm und diverse belästigungsfähige Schilder und Plakate beschlagnahmte. Diese heftige Reaktion der Staatsmacht wäre eigentlich gar nicht nötig gewesen, da sich die meisten Abgeordneten völlig unbelästigt durch den Hintereingang zu ihrem Arbeitsplatz schlichen und wie erwartet den Vertrag abnickten.
Doch warum all die Aufregung? Eigentlich könnte man in Berlin doch froh sein, dass der DSGV bereit ist, 5,3 Milliarden Euro für die Skandal-Bank hinzublättern. Und fast alle Berliner Parteien freuen sich über diese Lösung: SPD und CDU wollen den Bankenskandal, in den sie tief verstrickt sind, endlich vom Tisch haben. Die FDP war Komplizin im Bankenskandal und will ideologiebedingt ohnehin alles öffentliche Eigentum verkaufen. Und die sogenannte LINKE freut sich über den DSGV als Käufer, da sie nun fälschlicher Weise verlautbaren kann, sie habe die Privatisierung der Berliner Sparkasse verhindert.
Doch genau hier liegt der Knackpunkt: Mit dem von der rot-roten Koalition verabschiedeten Berliner Sparkassengesetz, welches übrigens auch die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer erarbeitet hat, ist es der Berliner Sparkasse gestattet, ihr Geschäft weitgehend wie eine Privatbank zu führen. Das ist wenig verwunderlich, da besagte Kanzlei nach Medienberichten auch für Privatbanken und den Bundesverband Deutscher Banken – also die Privatbankenlobby – arbeitet.
Diese Verhunzung der Sparkasse wurde von Rot-Rot immer damit begründet, dass man ja im von der EU-Kommission auferlegten Verkaufsverfahren keinen Käufer diskriminieren und deshalb auch keine sozialen Auflagen ins Sparkassengesetz schreiben dürfe. Die EU hat zwar den Verkauf der Bankgesellschaft/Landesbank verlangt, von einem Verkauf der Sparkasse steht im Auflagenbescheid aber kein Wort. Auch erklärte die Kommission, dass Berlin sehr wohl soziale Auflagen in sein Sparkassengesetz schreiben könne, wenn es denn wollte. Berlin bzw. der rot-rote Senat wollte nicht. Man hatte sich entschieden, die Bankgesellschaft samt Sparkasse zu verkaufen und wollte die potentiellen Käufer nicht mit sozialen Auflagen abschrecken.
Nun ist die Berliner Sparkasse also in den Händen des DSGV und dieser freut sich über ein Sparkassengesetz, dass ihm gestattet, die Sparkasse weitgehend wie eine Privatbank zu führen. Irgendwie müssen die gezahlten 5,3 Milliarden ja finanziert werden.
Im Februar hatten die Regierungsfraktionen von SPD und LINKE noch getönt, dass sie für soziale Auflagen (Girokonto für Alle, Arbeitsplatzerhalt, Erhalt der Filialdichte), wenn schon nicht im Sparkassengesetz, so doch auf vertraglicher Ebene, kämpfen würden. Nach bislang vorliegenden Informationen findet sich dazu nichts im Kaufvertrag. Die Abgeordneten von SPD und LINKE nehmen offensichtlich ihre eigenen Beschlüsse nicht ernst – vielleicht legten sie deshalb so großen Wert auf Geheimhaltung.
Benedict Ugarte Chacón