Ein Soziales, Politisches, Künstlerisches und Kulturelles Zentrum Bethanien steht kurz vor dem Durchbruch – und droht am Widerstand der „Hochkultur“ zu scheitern.
Das Bethanien wird nicht privatisiert. Alles deutet darauf hin, dass die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Friedrichshain-Kreuzberg noch in diesem Monat beschließen wird, das Bethanien in die gemeinnützige Trägerschaft der Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) zu übergeben. Der Verbleib der aktuellen Nutzer ist gesichert. Das Bethanien als Soziales, Politisches, Künstlerisches und Kulturelles Zentrum rückt einen großen Schritt näher.
Erreicht ist ein Ort der Kooperation und Integration damit jedoch noch nicht. Denn die Beschlussvorlage ist nicht nur Ergebnis eines langen, basisdemokratischen Prozesses, sondern auch ein Resultat seiner Verweigerung. Eine Trennung zwischen „Soziokultur“ und „Hochkultur“, die es so ja gar nicht gibt, soll im zukünftigen Bethanien auch baulich festgeschrieben werden. Die etablierte Kunst soll durch den Haupteingang erreichbar sein, die Soziokultur im Seitenflügel verschwinden, hinter einer Mauer, wo sie nicht sichtbar ist.
Diese Trennung hatte der Geschäftsführer der Künstlerhaus Bethanien GmbH immer wieder und unmissverständlich beschworen. Am Runden Tisch, und damit am demokratischen Aushandlungsprozess beteiligt hat er sich allerdings nicht. Die Initiative Zukunft Bethanien (IZB) sieht die Idee eines offenen, integrativen Ortes, mitten im von sozialer Polarisierung und Verdrängung geplagten Kreuzberg, dadurch gefährdet. Sie fordert die Verankerung des im September 2006 durch die BVV beschlossenen „selbstverwalteten Interkulturellen AnwohnerInnenforums“ – (sOfa) im Vorderhaus und ein brauchbares Auswahlverfahren zur Vergabe der freien Flächen, das sowohl sozial, politisch, kulturell als auch künstlerisch engagierte Gruppen und Institutionen gleichermaßen begünstigt.
Nahezu 14.000 Menschen unterstützten mit ihren Unterschriften die fünf Kernpunkte des Konzepts eines „Sozialen, Politischen, Künstlerischen und Kulturellen Zentrums“ im Bethanien. Zuvor war das Konzept in zahlreichen Ideenwerkstätten und Offenen Kieztreffen gemeinsam mit Anwohnern und Interessierten ausgearbeitet worden. Mit ihrem Beschluss vom 4. September 2006 entsprach die BVV Friedrichshain-Kreuzberg weitestgehend den Forderungen. An einem „Runden Tisch“ unter dem Vorsitz von Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Bündnis90/Die Grünen) sollten bis Ende 2007 die Nutzer des Bethanien und die IZB gemeinsam mit dem Bezirksamt und den BVV-Fraktionen die Details ausarbeiten, die für die Umsetzung des Beschlusses noch zu klären waren. Eine „Initiativplattform“, ebenfalls mit Stimmrecht am Runden Tisch, brachte zudem Anwohner und Initiativen zusammen, die sich für freie Flächen interessierten.
Die Arbeit an einem Konzept für die Zukunft des Bethanien wurde von einem Konflikt überschattet, welcher insbesondere von Christoph Tannert, dem Geschäftsführer der Künstlerhaus Bethanien gGmbH, mit Vehemenz und Leidenschaft in die Öffentlichkeit getragen wurde. Tannert beteiligte sich nicht am Runden Tisch, der größte Nutzer im Haus war somit nicht vertreten. Stattdessen nutzte er die Medien, um gegen die „Kiezdödel, Pseudo-Linken und Gerontokraten“ zu polemisieren. Der Chef des Künstlerhauses sagt: „Das Bethanien ist zu einer Besetzerhochburg geworden, und das zerstört den guten Ruf unseres Kulturinstituts.“ Vielleicht ist es auf seine kontinuierliche Abwesenheit am Runden Tisch zurückzuführen, dass er die vielen an Räumen interessierten Projekte mit seiner Vorstellung von „Besetzern“ in einen Topf wirft. Im Konflikt, den Tannert zwischen Besetzern und Mietern konstruiert, wird von dem Erfolg des Bürgerbegehrens abgelenkt. Zugleich verpufft jede Bemühung um konstruktive Konzeptarbeit. Zwischen die Fronten sind dabei zumindest die Bewerber um Räume im Bethanien geraten.
Aber es ist nicht das erste Mal, dass Tannert als polternder Verweigerer in Erscheinung tritt. Mit der Modeschule ESMOD und der Schauspielschule „Ernst Busch“ scheiterten bereits zwei Versuche, freie Flächen im Bethanien-Haupthaus prominent zu besetzen, an Tannerts Blockadehaltung. Auch dieses Mal scheinen alle Versuche vergeblich, Tannert ein kooperatives Verhalten abzuringen, einschließlich eines moderierten Gespräches zwischen ihm und Vertretern der New Yorck und der IZB.
Der am „Runden Tisch“ – ohne Tannert – erarbeitete Vorschlag wurde im Dezember letzten Jahres der BVV vorgelegt. Das Haupthaus des Bethanien soll dem gemeinnützigen Träger GSE zur Treuhand gegeben und inhaltlich von den Nutzern selbst verwaltet werden. Das Soziale, Politische, Künstlerische und Kulturelle Zentrum Bethanien liegt damit zum Greifen nah, nur: Es wird geteilt. Der „räumliche Schwerpunkt soziokultureller und politischer Ergänzungsangebote zum künstlerischen und kulturellen Profil des Hauses Bethanien wird im Südflügel verortet“, so die von Bürgermeister Schulz gezeichnete Beschlussvorlage. Mietverträge mit den Besetzern der New Yorck und dem Ende 2007 im Haupthaus eingerichteten sOfa werden an Bedingungen geknüpft: Zum Einen soll der Südflügel „baulich“ vom Rest des Hauses getrennt werden, zum Anderen soll sich das sOfa mit den anderen Nutzern über die Gestaltung des Foyers einigen. Die Linkspartei und die SPD gehen noch weiter und wollen ein Forum der Anwohner nur in dezentem Abstand im Seitenflügel sehen.
Während die „etablierte“ Kunst und Kultur also Anspruch auf einen Großteil des Gebäudes erheben darf, werden „Soziokultur“ und politische Initiativen auf den Südflügel verwiesen, als ob sie nur die Angelegenheit einer unerheblichen Minderheit wären. Dieser Konflikt, der als ein personeller öffentlich in Erscheinung trat und nun baulich festgeschrieben werden soll, steht stellvertretend für die aktuelle Situation in Kreuzberg und in anderen Teilen der Stadt. Diese Polarisierung – zwischen Arm und Reich, migrantisch oder nicht, etabliert und marginalisiert – sollte ein Soziales Zentrum Bethanien gerade aufbrechen. Der gesellschaftlichen Logik von Konkurrenz und Ausschluss sollte die Vision der Kooperation und des Miteinanders entgegen gehalten werden.
Deshalb fordert die IZB, die Trennung zwischen „Kultur“ und „Soziokultur“ aufzuheben und konkret Folgendes zu beschließen: Das interkulturelle Anwohnerforum soll, wie bisher, Räume für seine Tätigkeit im Vorderhaus anmieten dürfen. Und das moderierte Auswahlverfahren für die Vergabe der leeren Räume soll, wie von der Initiativplattform ausgearbeitet und vorgeschlagen, moderiert fortgeführt werden. Die ersten Schritte auf dem Weg zu einem Sozialen, Politischen, Künstlerischen und Kulturellen Zentrum Bethanien, mitten in Kreuzberg, wo es so dringend gebraucht wird, sind getan. Bezirksverwaltung, Anwohner und Nutzer haben bereits großes Engagement und demokratische Kreativität bewiesen. Nun kommt es darauf an, weiter an einem offenen, integrativen – und damit politischen (!) – Ort zu arbeiten und nicht in alte Konflikt- und Denkmuster zurückzufallen.
Diskussionsveranstaltung im Bethanien-Casino
Die Initiative Zukunft Bethanien lädt für Donnerstag, den 21.2.2008 um 20 Uhr ins Bethanien zur Diskussion, um den Prozess vom Bürgerbegehren über die Runden Tische bis zur derzeitigen Beschlussvorlage zu diskutieren.