Kapitalismuskritik – endlich fundiert


Wolfgang Fabricius legt ein Buch zur Solidarischen Ökonomie vor

Wolfgang Fabricius zählt zum Urgestein dessen, was man in Berlin „Alternative Szene“ nennen könnte. Immer schon alternativ-politisch unterwegs, war er in den 70er Jahren Mitbegründer des Mehringhofs und des Gesundheitsladens, in jüngerer Zeit wirkte er als Gründungsmitglied von attac Berlin und des Berliner Sozialforums.

Seine Erkenntnisse und Erfahrungen zu Ökonomie und Politik, die er auf seinem jahrzehntelangen Weg abseits etablierter Institutionen in zahlreichen Initiativen sammelte, hat er nun in ein Buch gepackt und es mit dem Titel „Solidarische Ökonomie auf der Basis von Reproduktionsgenossenschaften“ versehen. Dieser Titel ist jedoch das einzig Sperrige am vorgelegten Werk, das sich ansonsten gut liest und sich damit deutlich von anderen kritischen politökonomischen Bleiwüsten unterscheidet.

Fabricius sieht in der Solidarischen Ökonomie, die sich in Genossenschaften institutionalisieren kann, eine tatsächliche Alternative zu einer Wirtschaftsform, deren einziges Ziel die Profitmaximierung darstellt. Bei der Solidarischen Ökonomie würde der „menschliche Bedarf […] die Rendite als Triebfeder der Wirtschaft“ ablösen. Kurzum: Der Autor betreibt handfeste Kapitalismuskritik, die klare Gegenentwürfe präsentiert und dementsprechend intelligenter daherkommt als so manche echte oder scheinbare kapitalismuskritische Plattitüde.

Sein Buch bietet einen kurzen und prägnanten Überblick über ökonomische Grundbegriffe, der schon allein wegen seiner präzisen Knappheit lesenswert ist. Sachkundig setzt er sich mit der „neoliberalen Globalideologie“ auseinander und analysiert den aktuellen Kapitalismus als krisenanfälliges System, dessen wiederholte „Rettung“ zumeist aus Maßnahmen bestand, die die „Besitzenden“ weiter besitzen und die „Besitzlosen“ dafür aufkommen ließen.

Doch bei der Analyse allein kann es laut Fabricius nicht belassen werden. Und so weist er auf den ersten Seiten des Buches auf ein grundlegendes Manko hin:

„Die politischen Aktivitäten der globalen sozialen Bewegungen konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Kritik des bestehenden Systems und daraus abgeleiteten Forderungen. Sie befassen sich nicht oder nur sehr unzureichend mit der Konzeption und Erprobung einer ökonomischen Grundlage für die propagierte‚ andere Welt und setzen ihre Hoffnungen in Parteien oder den Staat.“

Um diesem zu entgehen, bietet Fabricius – einige theoretische Überlegungen voranstellend – im zweiten Teil seines Buches einen Fundus an Beispielen, wie eine Solidarische Ökonomie umgesetzt werden kann. Vom historischen Überblick über die Entwicklung des Genossenschaftswesens bis hin zu nationalen und internationalen Beispielen der heutigen Zeit wird alles geboten und selbst marktradikale Gegner des Genossenschaftswesens könnten sich hier umfassend informieren.

Und wenn auch Fabricius die Maßstäbe an ein wirkliches Genossenschaftswesen recht hoch ansiedelt – so hat bspw. eine Genossenschaft eigentlich die Rollen des Bürgers als Konsument und Produzent zu vereinigen und eine entsprechende basisdemokratische Organisation aufzuweisen – bleibt seine Kritik am real existierenden Genossenschaftswesen erstaunlich zaghaft. Schimmert hier etwa schon eine gewisse Altersmilde durch? Oder spart sich der Autor die Abrechnung für ein weiteres Buch auf? Fest steht: Wer über Alternativen zum jetzigen Wirtschaftssystem diskutieren will, findet bei Fabricius eine gute Grundlage – und wer ihn widerlegen will, hat einige Arbeit vor sich.

Benedict Ugarte Chacón

Wolfgang Fabricius: Solidarische Ökonomie auf der Basis von Reproduktionsgenossenschaften, BoD, Berlin 2008, 15 Euro; Erwerbslose und Geringverdienende können den Buchtext im pdf-Format (1,4 MB) über E-Mail beziehen: w.fabricius(at)isp-eg.de


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