Fischer, Fischer, wie tief ist das Wasser?


„Den Raubzug stoppen!“ lautete die Überschrift der Zeitung „privare“, welche im Sommer letzten Jahres vom Berliner Bündnis gegen Privatisierung anlässlich der Berliner Abgeordnetenhauswahl herausgegeben wurde. Sie sollte einen Überblick über die Aktivitäten verschiedenster Initiativen dieser Stadt geben, welche sich Anfang 2006 zusammengetan hatten, um den Raubzug zu stoppen.

Das neoliberale Paradigma ist von der Politik längst übernommen und wird auch ständig propagiert: Privatisierungen von staatlichen und kommunalen Unternehmen und Dienstleistungen führen infolge des Wettbewerbs auf dem Markt zu Preissenkungen für die Verbraucher. Private Unternehmen arbeiteten billiger, bürgernäher – und vor allem effizienter. Nicht zuletzt die „leeren Kassen“ der öffentlichen Haushalte, welche die Bereitstellung einer umfangreichen Daseinsvorsorge von Seiten des Staates (bzw. der Kommunen) nicht mehr ermöglichten, dienten und dienen weiter als Argument zum Schwingen des Privatisierungshammers. Unverhohlen wird sogar behauptet, die öffentlichen Haushalte würden durch derartige Maßnahmen saniert. Folglich gäbe es keine Alternative zur Privatisierung. Dass dies aber so nicht richtig ist, ergibt sich aus folgenden Betrachtungen:

Erstens: Es ist durchaus richtig, dass private Unternehmen effizienter wirtschaften können. Doch was heißt das? Zunächst muss klar sein, dass die Privatwirtschaft, im Gegensatz zur öffentlichen Wirtschaft, vom Eigeninteresse, von individuellen Geschäftsplänen, vor allem aber dem Ziel der Profitmaximierung geleitet ist. Gewinnverwendung im Sinne des Gemeinwohls und eine sozial- orientierte Preispolitik wie bei gemeinwirtschaftlichen Unternehmen sind beim Marktagieren von Privatunternehmen jedoch ausgeschlossen. Zudem ist der Markt in einer existierenden kapitalistischen Wirtschaftswelt per Definition durch Konkurrenz und Wettbewerb geprägt, welche sich in den letzten Jahren, infolge der kapitalistischen Globalisierung noch verschärften. Um hier als privates Unternehmen bestehen zu können, sind andauernde Effizienzsteigerungen von Nöten, die meist durch Reduzierung der Beschäftigtenzahl erfolgen. Oder aber dadurch, dass private Unternehmen Leistungen anbieten, die von Menschen erwirtschaftet werden, die zu niedrigeren (meist Billig-) Löhnen arbeiten.

Mit Privatisierungen sind somit immer Entwicklungen verbunden, die sich gleichzeitig negativ auf das Gemeinwohl und die gesamte Volkswirtschaft (sei es die einer Kommune oder einer anderen größeren regionalen Einheit) auswirken.

Zweitens: Nicht nur das Argument der Entlastung der »leeren« öffentlichen Kassen, bzw. das der Haushaltssanierung – von Medien, Post, Bahn, Schulen, Müllentsorgung, Strom, Wasser und Abwasser – entpuppten sich als leere Versprechung, ja sogar als scheinbar bewusste Falschargumentation. Denn Privatisierungen, so zeigt Journalist und Philosoph Werner Rügemer in einer zum ersten Mal vorgelegten Bilanz für die gesamte Bundesrepublik, erwiesen sich in fast allen Fällen als „eine neue Quelle der öffentlichen Verschuldung, der Arbeitslosigkeit, der Teuerung“. So zeigt er unter anderem, dass die Kommunen ihr „Tafelsilber“ weit unter dem Wert an Konzerne verscherbelten. Dass diese kurzfristigen und einmaligen Einnahmen aus den Verkäufen außerdem in einem schlechten Verhältnis zu den langfristigen Belastungen für die Kommunen stehen, ergibt sich etwa aus dem Wegfall von Miet- und Steuereinnahmen, aus Haushaltsbelastungen durch über Jahrzehnte garantierte Renditen für die privaten Konzerne (bei „Öffentlich-Privaten Partnerschaften“) und nicht zuletzt aus den von der Allgemeinheit zu tragenden, bereits beschriebenen Folgen des auf Gewinnmaximierung gerichteten Wirtschaftens der Privatunternehmen.

Drittens: Keinesfalls darf unerwähnt bleiben, dass Privatisierung öffentlicher Bereiche – jedenfalls nach der vorherrschenden Praxis – mit extremer Geheimhaltung verbunden ist. Sowohl demokratische Mitsprache beim Zustandekommen als auch demokratische Kontrolle blieb und bleibt versagt.

Diese allgemeine Geheimhaltung von Privatisierungsabläufen ist durch eine eigenartige Symbiose aus Vertretern von Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und auch Justiz geprägt, die alle der neoliberalen Wirtschaftsdoktrin, der Liberalisierungs- und Privatisierungslogik folgen. Man könnte meinen, die Akteure sehen die Bevölkerung als minderbemittelt oder uninteressiert an, während sie ihre intriganten Machenschaften verfolgen.

Mathias Behnis

Berliner Wassertisch Berliner Wassertisch

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