Zivilcourage à la NY im Bethanien


Zur Situation der derzeit im Bethanien untergekommenen Roma-Familien

In Berlin wird dieser Tage „60 Jahre Grundgesetz“ gefeiert – für Roma in Berlin gilt „Die Würde des Menschen ist unntastbar“ anscheinend aber noch immer nicht.

Seit Dienstag, dem 19. Mai 2009, leben über 50 Roma im politischen Projektezusammenhang NewYorck im Bethanien in Kreuzberg. Am frühem Dienstagmorgen gab es einen größeren Polizeieinsatz gegen die Familien, die seit einiger Zeit im Görlitzer Park campierten. Dieser geschah unter dem Vorwand, gegen die „Verwahrlosung“ der Kinder einschreiten zu müssen. Anstatt jedoch Hilfsangebote zu machen, ging die Polizei rabiat vor und drohte den Familien, ihre Kinder wegzunehmen. Aufmerksame Passanten griffen ein und alarmierten weitere Menschen, Organisationen und umliegende Kirchengemeinden und organisierten erstmal eine Übersetzung. Es kam zu mehrstündigen Verhandlungen mit der Polizei und einem Vertreter des Jugendamtes. Die ersten Stunden fanden diese an der Straße statt, während die Leute von der Polizei umstellt waren und keine Gelegenheit hatten, Essen für ihre Kinder zu holen, Toiletten aufzusuchen oder Ähnliches. Erst auf Drängen der Unterstützenden war es schließlich möglich, auf das Gelände des Cabuwazi Kinderzirkus auszuweichen.

Aus Angst vor weiteren Repressionen wurden die städtischen Angebote für eine Unterbringung von den Familien zunächst abgelehnt. Um die Situation zu entschärfen, bot die NewYorck im Bethanien an, die Familien für zwei bis drei Tage unterzubringen und so Zeit für die Suche nach einer guten Lösung zu schaffen. Der Vertreter des Jugendamtes kündigte an, die Unterbringung am nächsten Tag auf ihre Eignung für Kinder zu prüfen. Ein Runder Tisch für die Lösung der Probleme wurde abgesprochen.

Am Mittwoch bestätigten Vertreter des Sozial- und Jugendamtes die Eignung der Räume, erklärten sich jedoch für konkrete Hilfen bei der Versorgung der Familien für nicht zuständig.

Obwohl sich schnell Personen und Organisationen zu einem übergreifenden Unterstützungsplenum zusammenschlossen und die NewYorck bei der Versorgung der Familien unterstützen, war die NewYorck mit der Unterbringung über einige Tage hinaus überfordert. Für die Familien waren die beengten Verhätnisse sehr stressig und nicht über längere Zeit zumutbar. Bis Freitagmorgen entwickelten sich keine neuen Lösungsansätze von Seiten der Stadt. Die Familien und ihre Unterstützenden besuchten die Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Die Linke), um mit Ihr über eine Lösung vor dem Wochenende zu reden.

Das Angebot der Senatorin, die Menschen im „Ausreiselager“ in der Motardtstrasse unterzubringen, lehnten die Roma aufgrund der menschenunwürdigen Umstände dort ab. Eine Lagerunterbringung ist nicht geeignet, Menschen in der europäischen Gesellschaft ein selbständiges und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Auch angesichts der deutschen Geschichte mit ihrer Verfolgung und Vernichtung der Sinti und Roma in Deutschland und Europa sollte sich eine Lagerunterbringung sebstverständlich verbieten. (Weitere Informationen zur Motardstraße finden sich hier.)

Im Laufe dieses Gespräches entwickelte sich erstmals eine temporäre Lösung in anderen Räumlichkeiten des Bethanien bis zum Montag. Seit Sonnabend jedoch rudern die Bezirks- und Senatsvertretungen von einer politischen Lösung zurück und konstruieren ein privates Problem der Unterstützenden. Das würde jedoch die Familien und ihre Kinder in die Situation, wie sie vor dem Polizeieinsatz bestand, zurückwerfen.

Wir hoffen, dass alle politischen Kräfte die Situation der Kinder und ihrer Eltern ernst nehmen und am Montag am Runden Tisch zu einer einvernehmlichen Lösung finden.

Wir fordern die politische Öffentlichkeit auf, nicht nur im Europawahlkampf markige Sprüche zu plakatieren, in denen ein gemeinsames Europa beschworen wird, sondern auch in diesem ganz konkreten Konflikt für die Roma-Familien angemessene Lebensbedingungen hier bei uns in Berlin zu schaffen. Dazu gehören zumindestens eine feste Wohnmöglichkeit, eine Meldeadresse, soziale und medizinische Versorgung und der Schul- und Kindergartenbesuch der Kinder sowie eine finanzielle Unterstützung im Rahmen der Hilfe für besondere Lebenslagen.

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