Dieser Beitrag über den virtuellen Befreiungskampf der virtuosen Vera Lengsfeld wurde uns vom „Kommando Tolerantes Bebra“ zugespielt. Die Red., i.A. Ostprinzessin.
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„Freiheit und Fairness statt Gleichheit und Gerechtigkeit“*
Die ehemalige Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld hält in Friedrichshain-Kreuzberg die letzte Bastion gegen den Untergang des Abendlandes
„Die intolerante, dogmatische linke Szene ist zwar längst marginalisiert, ohne jeden Rückhalt in der Bevölkerung. Sie beherrscht aber nach wie vor die Medien. Leider.“ Diese knallharte, mutige Analyse kann man im Wahlkampf-Blog von Vera Lengsfeld nachlesen, die sich zur Zeit als Direktkandidatin für den Splitterverband der CDU in Friedrichshain-Kreuzberg versucht. Als dogmatische Linke tun wir nun dies, was von uns erwartet wird, und machen uns ein paar intolerante Gedanken zu Frau Lengsfeld. Da wir die Medien beherrschen, wird es uns ein Leichtes sein, ihren erneuten Einzug in den Bundestag zu verhindern und sie endlich gänzlich zu marginalisieren.
Vera Lengsfeld war seit den 70er Jahren in der DDR-Opposition aktiv und deswegen auch immer wieder Opfer verschiedener Repressionsmaßnahmen. 1988 wurde sie aus der DDR abgeschoben, kehrte kurz darauf zurück und wurde in der so genannten Wendezeit für die DDR-Grünen Mitglied der Volkskammer. Später ging sie für das Bündnis 90 in den Deutschen Bundestag, dessen Mitglied sie bis 2005 blieb. Zwischendurch wechselte sie die Seiten und wurde 1996 Mitglied der CDU-Bundestagsfraktion, angeblich weil ihr die Grünen zu PDS-nah waren. Und nun will sie wieder für die CDU ins Parlament. Als besonders chancenreich wird ihr Antritt von der Partei allerdings nicht gesehen. Sonst hätte sie Frau Lengsfeld sicherlich eine vernünftige Homepage spendiert, CDU-Größen wie Christian Wulff würden sich nicht im Fernsehen über ihre Wahlkampagne mokieren und ihr Wahlkampfmanager hätte nicht einfach hingeschmissen.
Die ehemalige Bürgerrechtlerin, die sich heute einen konservativen Anstrich gibt, verarbeitet nun bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre DDR-Vergangenheit. Dies ist nicht nur legitim, sondern stünde vielen anderen Persönlichkeiten auch gut zu Gesicht. Leider sieht diese Verarbeitung bei Frau Lengsfeld so wirr aus, dass sie alles, was sie als „links“ definiert, irgendwie mit der SED bzw. der PDS gleichsetzt, und das alles irgendwie in einem großen weltkommunistischen Zusammenhang einordnet. So kann man in ihrem Wahlkampfblog dann auch die unterschiedlichsten Variationen konservativ-vermiefter Abneigung gegen alles „Linke“ lesen, die – typisch für dieses Milieu – aus dem Zusammenreimen unterstellter Bösartigkeiten besteht, die allesamt den Untergang des Abendlandes als alleiniges Ziel haben. Der Konservative an sich sieht sich in diesem Zusammenhang als aufrechten Kämpen im Grabenkampf gegen die linken Horden, die sich in Gestalt von Lafontaine, südamerikanischen Guerrillas, der PDS, Autonomen oder den 68ern daran gemacht haben, seinen Stammtisch zum Volkseigentum zu erklären bzw. sein letzten Samstag gewaschenes Auto anzukokeln.
So versucht Frau Lengsfeld in einem Text von 2007 sich mit der Person Oskar Lafontaine auseinanderzusetzen. Dabei wirft sie, basierend auf angeblichen Äußerungen Lafontaines zu den sozialistischen Ostblockstaaten, „der Linken“ vor, sich „aus der Verantwortung für ihre Geschichte“ stehlen zu wollen. Schließlich, und hier hat Frau Lengsfeld gut aufgepasst, wurden dort Menschen unter dem Label „Sozialismus“ traktiert, misshandelt und umgebracht. Sich damit auseinanderzusetzen, ist angebracht und wird vielfach getan. Der Schuldzuweisungskitsch lengsfeldscher Prägung allerdings ist aufgeblasenes Geplapper. Denn wenn es Frau Lengsfeld um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit historischen Zusammenhängen ginge, hätte sie nicht Friedrich-August von Hayek zu ihrem „Lieblingsdenker“ erkoren, wie es auf ihrer Internetseite nachzulesen ist. Wenn es Frau Lengsfeld um gefolterte und ermordete Menschen ginge, würde sie sich mit der Ideologie ihres „Lieblingsdenkers“ auseinandersetzen, die die autoritären Regime Lateinamerikas zur Doktrin erhoben und Hand in Hand mit den Jüngern von Hayeks und Friedmans Abertausende Menschen folterten und ermordeten. Wo ist denn da „die Verantwortung“ der Neoliberalen für ihre Geschichte? Aber um solche Spitzfindigkeiten geht es Frau Lengsfeld gar nicht, ihr geht es angeblich um „Freiheit“. In ihrem Blog heißt es: „Als Bundestagskandidatin trete ich dafür ein, dass wir alle – Ost- und Westdeutsche – einen starken, einen vollentwickelten Begriff von Freiheit erobern müssen.“
Wie Frau Lengsfeld selbst es mit der Freiheit hält, wurde Mitte der 90er Jahre deutlich. Damals veröffentlichten Wiglaf Droste und Gerhard Henschel den heiteren Fortsetzungsroman „Der Barbier von Bebra“ in der taz. In dieser Geschichte geht ein geheimnisvoller Mörder im Nachwende-Deutschland um, der unter Anderem einige Bürgerrechtler auf phantasievolle Weise umbringt, nachdem er ihnen die Bärte gestutzt hat. Neben Wolfgang Thierse (Klarinette in der Gurgel) müssen auch Rainer Eppelmann (Beton an den Füßen) und Jürgen Fuchs (in Shampoo ertränkt) dran glauben. Frau Lengsfeld fand das alles gar nicht witzig und weil „Freiheit“ anscheinend nur gilt, wenn sie Frau Lengsfeld gerade in den Kram passt, versuchte sie allen Ernstes einen Boykott der taz anzuzetteln. Das Vorhaben ging aber in die Hose, denn die Anhängerschaft Lengsfelds hielt sich auch damals schon in Grenzen. Wahrscheinlich war das Ganze auch gar nicht politisch gemeint und Frau Lengsfeld nur stinkig, weil sie, die wichtigste Freiheitskämpferin der Welt, nicht in dem Roman vorkam.
Wenn Frau Lengsfeld sich schon um die Freiheit der Kunst und der Presse nicht zu scheren scheint, wie hält sie es mit anderen Grundrechten? Zum Protesttag rund um den stillgelegten Flughafen Tempelhof im Juni dieses Jahres heißt es in ihrem Wahlkampf-Blog:
„Etwa 1,8 Millionen Euro hat nach Schätzungen der Polizeigewerkschaft am letzten Wochenende der Polizeieinsatz zum Schutz des gesperrten Flughafens Tempelhof gekostet. Geld, das für die Kreuzberger Schulen und Integrationskurse, die Friedrichshainer Kitas, die Bibliotheken in Prenzlauer Berg fehlt. Aber was soll’s. Die Leute, die diese Kosten verursacht haben, hatten ihren Spaß. Sie haben sich mit der Polizei ein Katz-und-Maus-Spiel geliefert. Viele Polizeibeamte mussten das Wochenende getrennt von ihren Familien verbringen, die Kosten des Polizeieinsatzes trägt der Steuerzahler.“
Demonstrationen und Kundgebungen sind für Lengsfelderianer also kein zu verteidigendes Grundrecht, sondern Kostenfaktoren, die darüber hinaus die armen Schutzmänner um das entspannte Wochenende bringen. Wahrscheinlich marschieren „legitime“ Demonstranten nach solchen Vorstellungen nur in Reih und Glied und haben am besten noch ein blaues Hemd an. Ganz schön verdreht kommen auch andere historisch-politische Analysen im Blog von Frau Lengsfeld daher. In einem Text über „Freiräume“ wird genau geschildert, was „Extremisten“ machen müssen, damit der Staat geschwächt wird. (Hoffentlich liest diese detaillierte Anleitung jetzt kein Extremist und schwächt danach den Staat):
„Wichtig ist: Die Polizei und die Justiz müssen durch weit gestreute, praktisch nicht mehr beherrschbare Einzelaktionen an der Erfüllung ihrer Kernaufgaben gehindert werden! In die so erkämpften Freiräume sickern Drogenhändler, links- und rechtsextreme bewaffnete Kräfte ein, der Staat zieht sich zurück. Dieses Rezept funktioniert, es hat seine Tauglichkeit wieder und wieder unter Beweis gestellt – in Russland im Jahr 1917 nach der Februarrevolution, in südamerikanischen Staaten heute, und sogar in unserem schnuckligen, kleinen und feinen Kreuzberg. In der Hasenheide ist das so, im Künstlerhaus Bethanien auch. Ist das nicht schön? Wir sind doch Eine Welt!“
Das Ganze ist natürlich konstruierter Quatsch. Allerdings wird es gänzlich abstrus, wenn die samtpfötigen Bethanien-Bewohner mit bewaffneten Gangs in den Slums südamerikanischer Städte gleichgesetzt werden. Doch nicht nur dies. Weil die „Freiraum“-Bewohner des Bethanien nicht in die idealisierte Datschenwelt passen, wird einfach die Tatsache ignoriert, dass sie Mietverträge haben und man rührt sich schnell eine Geschichte mit „Extremisten“ zurecht. Also wieder mal typisch „konservativ“: Auf die Fakten scheißen und sich die Realität so garstig hinbiegen, wie man sie gerade braucht. Deswegen kandidiert Frau Lengsfeld doch im angeblich so linken Friedrichshain-Kreuzberg. Wo man noch angeraunzt wird, wenn man kriegsheldenhaft einen CDU-Sonnenschirm aufstellt, wo dieser Splitterpartei nur von wenigen aufrechten Mütterlein und ein paar Milchbärten der Jungen Union die Stange gehalten wird, wo brave CDUler sich als Opfer fühlen können – genau da ist Frau Lengsfeld berufen, sich schrill und selbstlos aufzuopfern für die Freiheit der verfolgten Konservativen. Denn wo keine Feinde sind, da könnte sie nicht ständig als Verteidigerin und Bewahrerin und Mahnerin und was sonst noch alles gehen – Stahlgewitter von Mexico City bis Kreuzberg und Lady Liberty vorweg, verteidigend, bewahrend und mahnend.
*Wahlkampfmotto von Vera Lengsfeld. Dessen Sinn bitte bei Frau Lengsfeld selbst erfragen.
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Da dieser Text ohne Hinweis auf das blöde Dekolleté-Wahlplakat von Vera Lengsfeld auskommt, sei hier der Kalauer gebracht, dass die CDU im Bezirk schon für bessere Späße zu haben war: Porno-Affäre erschüttert die CDU in Kreuzberg.
2 Antworten zu “Victim Vera befreit Kreuzberg”
Es ist nicht verwunderlich, das sich ein linker Aktivist über den Wandel von Frau Lengsfeld so äussert. Denn ein Umstürzler weis eben die Wertestabilität die die CDU auch in Kriesenzeiten zu vermitteln vermag, nicht zu schätzen. Wo es für andere unangenehm wird, macht es sich die Linke leicht. Und fordert in Kriesenzeiten noch solche Luxusgüter wie eine überflüssige Tempelhofbesetzung, die den Rechtsstaat noch stärker belastet.
Das Geld wäre in Industrie und Wirtschaft besser aufgehoben um Arbeitsplätze zu schaffen, damit es sich die Rechte nicht leicht machen kann! Aber soweit blickt die Linke ja nicht, und sitzt so weit links, dass sie schon wieder rechts sitzt.
Bei Ihnen sitzt wohl auch was, nämlich zuviel „Börse im Ersten“-Konsum.