„Antimilitarismus lässt sich nicht verurteilen“
Vor über einem Jahr begann der Prozess gegen Axel, Florian und Oliver als vermeintliche Mitglieder der „miltanten gruppe“. Alle drei waren gemeinsam mit Andrej im Sommer 2007 festgenommen worden. Die Ermittlungen gegen Andrej laufen weiter. Heute wurden Axel, Oliver und Florian für eine versuchte Brandstiftung als vermeintliche Mitglieder der militanten gruppe zu 3,5 bzw. 3 Jahre Haft verurteilt. Sie verlassen den Gerichtssaal nach über 60 Verhandlungstagen ohne jegliche Einlassungen und sollen für ihren entschlossenen Widerstand gegen die deutsche Kriegspolitik bestraft werden.
Das Bündnis zur Einstellung der 129 (a)-Verfahren hat seit den Verhaftungen 2007 die Entwicklungen und den Prozess politisch begleitet. Dabei stand für uns neben der Thematisierung von Überwachung und Verfolgung von politischen Aktivisten seit Prozessbeginn vor allem das Thema Antimilitarismus im Vordergrund.
Wir wollen an dieser Stelle deshalb auch nicht auf die diesem Urteil zugrunde liegenden abenteuerlichen Indizienketten von BAW und Gericht eingehen. Auch nicht auf die Schikanen gegenüber den Besucher_innen. Nur soviel: aus unserer Sicht der Schritt der Anwälte, auf die Schlussplädoyers zu verzichten, folgerichtig und konsequent.
Trotz der aufgebauten Drohkulisse eines Sondergerichtes hat antimilitaristischer Widerstand in Deutschland während dieses Prozesses mehr Präsenz bekommen. In den vergangenen Jahren hat der Widerstand gegen Militäreinsätze und die zivil-militärische Zusammenarbeit zugenommen. Der Protest gegen den Krieg wird wieder deutlich entschlossener und geschlossener geführt, ohne dass friedliche Proteste und militanter Widerstand gegeneinander ausgespielt werden konnten. Das haben wir auch an der Solidarität gemerkt, die aus ganz unterschiedlichen politischen Spektren kam.
Dennoch ist es innerhalb des Prozesses nicht gelungen, die Frage nach legitimem Widerstand gegen Militäreinsätze zu stellen. Nur wenige Medien haben die politischen Beweisanträge thematisiert und in Verbindung gestellt mit dem, was tagtäglich in diesem Land und international passiert. Weder die Kriegseinsätze der Bundeswehr noch ihre Präsenz in Schulen, an Universitäten und auf den Straßen – wie 2007 in Heiligendamm – scheinen in den Zusammenhang zu den zunehmenden Protesten gestellt zu werden. In anderen Ländern wie zum Beispiel Irland gab es Freisprüche nach Sabotageakten gegen Kriegsgerät, explizit mit der Begründung, dass sie dazu beigetragen haben, Schlimmeres zu verhindern. Diese Debatte steht weiterhin aus. Wir freuen uns jedoch schon jetzt, dass die antimilitaristischen Kämpfe weitergehen werden.
Eine Antwort zu “Hohe Haftstrafen für politische Aktion”
1. ich halte es für eine perfide anmaßung, wenn gewalttätige aktionen – und brandstiftungen sind gewalttätige aktionen – als in irgendeiner art und weise dem „frieden“ dienlich dargestellt werden. gewalt kann nicht friedlich sein, wer anderes behauptet, bewegt sich auf der ebene des orwellschen neusprech aus 1984.
2.ich halte die in der erklärung gebrachte intention, „friedlicher protest“ und „militanter widerstand“ ließen sich nicht „gegeneinander ausspielen“ für eine ebensolche perfide anmaßung, ja schon für eine erpressung seitens irgendwelcher selbsternannter „militanter“, die – wie die diskussionen der vergangenen jahre zeigen – den „friedlichen“ zwar immer vorwerfen, nicht „militant“ zu sein, dann aber gleichzeitig bedingungslose solidarität verlangen, weil man sonst in gegnerschaft zu ihnen geriete. für mich kann ich sagen: ich bin nicht solidarisch mit leuten, die gewalt als mittel der politik betrachten. das gilt für so genannte militante wie auch für nazis oder kriegsminister gleichermaßen.
3. eine avantgarde-funktion einiger leute, die andere leute abknallen oder ihnen steine an den kopf schmeißen oder brandstiftungen begehen ist für mich in bundesdeutschen zusammenhängen nicht gegeben. entweder sind solche leute einfache kriminelle oder kindsköpfe, die „revolution“ spielen und zwar aus dem gemütlichen nest heraus.
4. man kann sicherlich das strafverfahren auf das sich die erklärung bezieht, kritisieren und muss das wahrscheinlich auch. genauso wie man die methoden staatlicher behörden bzw. eines ganzen „verfassungsschützenden“ apparates kritisieren muss. dies tut diese erklärung (bewusst) nicht, vielmehr versucht sie die angeklagten mit vokabeln wie „sondergericht“ oder „antimilitaristischer widerstand“ als politische opfer darzustellen. diese hermetisch abgeschlossene argumentationsweise („wir sind opfer, alle anderen sind täter“), die sich auch durch viele andere mehr oder weniger durchdachte erklärungen aus dieser richtung zieht, besitzt für sich genommen schon esoterische züge. und wer ernsthaft – wie die verfasser der erklärung – meint, das ankokeln irgendwelcher militärlaster auf irgendeinem parkplatz in deutschland sei ein „widerstand gegen militäreinsätze“, offenbart ein recht primitiv gestricktes verständnis politischer zusammenhänge. gerade aus dem umstand, dass dieses ankokeln keinerlei wirkung hat (außer für die feuerwehr und die versicherung) ergibt sich höchstens ein symbolgehalt solcher als „aktion“ bezeichneter taten. und da beißt sich die „militante“ katze in den schwanz, denn symbolik ist ja gerade das, was die „militanten“ den anderen immer vorhalten.
5. die erklärung zeigt neben einer anmaßenden argumentation zu angeblich legitimem „widerstand“ erneut die fehlende bereitschaft dieser ständigen solidaritäts-erklärer, sich mal kritisch mit der vergangenheit derer auseinanderzusetzen, mit denen man sich solidarisch erklärt. einer der dort erwähnten hat nachgewiesenermaßen eine militaristische vergangenheit im bewaffneten arm der stasi. er war also teil einer unterdrückungsmaschinerie. wie kann jemand mit diesem hintergrund als „antimilitaristischer“ widerständler abgefeiert werden? wo bleibt die reflexion, auf die die linken doch immer so stolz sind?