Der Böse Wolf erklärt Berlin
Rechtzeitig vor dem Wahlkampf will die rot-rote Koalition bei den Wasserbetrieben für Transparenz sorgen.
Nun haben SPD und Die Linke die 1999 vorgenommene Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe doch noch für sich entdeckt. Was einst zur Haushaltskonsolidierung gedacht war, entpuppte sich schon vor Jahren als Desaster für alle Berliner: Ein intransparentes Holding-Modell und diverse Geheimverträge und Zusatzvereinbarungen sorgen seit der Teilprivatisierung dafür, dass insbesondere die privaten Anteilseigner RWE und Veolia nicht nur von hohen Wasserpreisen profitieren, sondern dass den Privaten ihr Investment zudem mit einer Renditegarantie versüßt wurde. Mittlerweile liegt Berlin bei seinen Trink- und Abwasserkosten im bundesweiten Vergleich an vierter Stelle. Jahrelang wurde auch von rot-roten Politikern die Teilprivatisierung zwar als nicht ganz geglückt angesehen. Aber es gebe eben Verträge, an die müsse man sich halten und da könne man beim besten Willen nichts dran ändern. Dann trat die Bürgerinitiative Berliner Wassertisch auf den Plan und initiierte ein Volksbegehren zur Veröffentlichung der geheimen Verträge. Anfangs noch verlacht, besonders von Vertretern der Partei Die Linke, gelang es der Initiative, die erste Stufe des Volksbegehrens erfolgreich zu absolvieren.
Und auf einmal beginnt die Koalition, sich zu bewegen: SPD und Linke wollen nun eine Gesetzesänderung auf den Weg bringen, die für eine Veröffentlichung der Teilprivatisierungsverträge sorgen soll. „Größtmögliche Transparenz“ solle damit geschaffen werden. Darüber hinaus kündigte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke) vor dem Hintergrund eines Urteils des Bundesgerichtshofs zu einer Preissenkungsverfügung der Hessischen Landeskartellbehörde für die dortigen Wasserversorger an, auch in Berlin die Gestaltung der Wasserpreise prüfen zu wollen. Besonders mutig ist dieses Ansinnen allerdings nicht. Vielmehr wirft es die Frage auf, warum die Berliner Landeskartellbehörde, die der Senatsverwaltung für Wirtschaft untersteht, nicht von sich aus die seit 1999 geltende Preisgestaltung anging. Zudem verschweigt Wolf, dass auch der Landeshaushalt zu einem nicht unbeträchtlichen Teil von den überhöhten Wasserpreisen profitiert. Mit der zaghaften Ankündigung einer Prüfung bleibt der Senator allerdings in der Tradition der rot-roten Koalition: Die Ursache des ganzen Elends, nämlich die Teilprivatisierung, rückgängig zu machen, wird angeblich schon seit Jahren „geprüft“. Zumindest steht die Ankündigung dazu im Koalitionsvertrag.
Dass Rot-Rot nun nach acht Jahren Regierungszeit auf einmal die Themen „Transparenz“ und „Wasserpreise“ für sich entdeckt haben will, geht auf den Wassertisch und sein Volksbegehren zurück. Ohne diesen offensichtlich notwendigen Druck würde die sozialdemokratisch-sozialistische Koalition nach wie vor vom Sachzwang und den Restriktionen des Handlungsrahmens, denen sich auch „linke“ Regierungen zu beugen hätten, fabulieren. Bleibt zu hoffen, dass der Wassertisch diesen Druck aufrecht erhalten kann.
Benedict Ugarte Chacón
Informationen zur Teilprivatisierung der Wasserbetriebe und zum Volksbegehren: www.berliner-wassertisch.net