Schutzlos im unsozialen Wohnungsbau


Nur noch 30 Jahre Schutzlosigkeit im unsozialen Wohnungsbau in Berlin!?

Mitte August besuchte der Regierende Bürgermeister den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und stellte sich der Diskussion mit Mieterinnen und Mietern, die wegen stetig steigender Mietpreise um den Erhalt ihrer Wohnungen und ihres persönlichen Umfelds bangen. Zur Sprache kam auch das Schicksal der ca. 28.000 Wohnungen in Berlin, die vom Wegfall der Anschlussförderung betroffen sind. Der vom Senat im Jahr 2003 beschlossene, kompromisslose Ausstieg aus der Förderung führt mittlerweile dazu, dass immer mehr Menschen binnen kürzester Zeit ihre Wohnungen verlieren und an den Stadtrand abgedrängt werden.  Wie der Regierende Bürgermeister auf seiner Stippvisite des Bezirks unmissverständlich zu verstehen gab, soll sich hieran nichts ändern.

Die Vermieter sollen weiterhin bis weit nach dem Jahr 2040 berechtigt bleiben, die Kaltmiete jederzeit in einem Schlag um mehrere hundert Prozent (!) erhöhen zu dürfen – und das ggf. sogar rückwirkend für bis zu 23 Monate. So können sich schnell Nachforderungsbeträge von mehreren zehntausend Euro ergeben. Wer dies nicht bezahlen kann oder will, dem bleibt nur, die Wohnung sofort zu verlassen, damit die Mieterhöhung nicht in Kraft tritt. Der Mietspiegel spielt hierbei keine Rolle.

Der Senat plant zwar mittlerweile, diese Reglung für bestimmte Sozialwohnungen abzuschaffen, doch die 28.000 vom Wegfall der Anschlussförderung betroffenen Wohnungen sollen von der Gesetzesänderung ausgenommen werden. So würde für die nächsten 30 Jahre weiterhin über den Köpfen von zehntausenden Menschen das Damoklesschwert des jederzeitigen Wohnungsverlustes schweben. Herr Wowereit kommentierte dieses nur in Berlin existierende, bundesweit einzigartige „mietrechtliche Vakuum“ übrigens mit folgenden Worten: „Jeder, der in eine solche Wohnung einzieht, weiß ja, worauf er sich einlässt.“

Dies würde bedeuten, dass die extrem belastende Schutzlosigkeit, der die Betroffenen ausgesetzt sind, fortbestehen würde. Jede persönliche Planung müsste weiterhin unter dem Vorbehalt erfolgen, dass der Vermieter dem Mieter die Wohnung noch eine Weile lang belässt und derzeit keine anderweitigen Pläne verfolgt. Der Willkür der Vermieter wäre noch für Jahrzehnte Tür und Tor geöffnet.

Auf der Homepage der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung heißt es: „Zur Unterstützung der betroffenen Vermieter“ wurde die sogenannte „Belegungsbindung“ für die vom Wegfall der Anschlussförderung betroffenen Wohnungen vorerst bis Ende 2011 ausgesetzt. Alteingesessene Mieterinnen und Mieter, für deren Schutz der Steuerzahler fünfzehn Jahre lang aufgekommen ist, stehen nun vor der Wahl, die erhöhte Miete zu bezahlen oder die Wohnung an deutlich solventere Nachmieter zu verlieren, die naturgemäß niemals in den Besitz eines Wohnberechtigungsscheins kommen würden. Dem Slogan „Sozialmieter raus aus den Sozialwohnungen – Reiche rein in die Sozialwohnungen“ ist somit schwerlich etwas entgegen zu setzen. Herr Wowereit erklärte hierzu während seines Bezirksbesuchs: „Ich bin gegen die Wiedereinführung der WBS-Pflicht. Dies würde den Markt für diese Wohnungen viel zu stark regulieren.“

Alle, denen es gleichgültig ist, wenn die Sozialschwachen jetzt aus ihren Wohnungen verdrängt werden, damit sie selbst nachziehen können, seien an dieser Stelle gewarnt: Es gibt bestimmt Menschen, die noch reicher sind. Und was das für praktisch unbegrenzte Mieterhöhungsmöglichkeiten bedeutet – das ist doch klar, oder?

Sebastian Jung, Mietersprecher Fanny-Hensel-Kiez

Weitere Informationen: www.sozialmieter.de


2 Antworten zu “Schutzlos im unsozialen Wohnungsbau”

  1. […] 09.2010 – “Der Senat plant zwar mittlerweile, diese Reglung für bestimmte Sozialwohnungen abzuschaffen, doch die 28.000 vom Wegfall der Anschlussförderung betroffenen Wohnungen sollen von der Gesetzesänderung ausgenommen werden. So würde für die nächsten 30 Jahre weiterhin über den Köpfen von zehntausenden Menschen das Damoklesschwert des jederzeitigen Wohnungsverlustes schweben. Herr Wowereit kommentierte dieses nur in Berlin existierende, bundesweit einzigartige „mietrechtliche Vakuum“ übrigens mit folgenden Worten: „Jeder, der in eine solche Wohnung einzieht, weiß ja, worauf er sich einlässt.“ “ – http://www.abriss-berlin.de/blog/2010/09/16/schutzlos-im-unsozialen-wohnungsbau/ […]

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