Anwohnerforum am Bethanien wird verschleppt
Der leerstehende Südflügel des Bethanien wurde vor zwei Jahren von vertriebenen Bewohnern des Hausprojektes Yorck 59 besetzt und geöffnet. Seither hat sich der Südflügel zu einem Ort für emanzipatorische Projekte entwickelt, der verschiedensten Initiativen einen Raum für Büroarbeit und Versammlung bietet. Im Bereich der Initiativen gegen Privatisierungen des öffentlichen Raums und der öffentlichen Versorgungseinrichtungen, der Aktivität gegen Repressionen und Überwachungsstaat sowie im Bereich der Initiativen, die sich um die Betroffenen von rassistischen Übergriffen und Vorfällen kümmern und umfangreiche Informationsarbeit dazu leisten, ist das Bethanien mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Auch viele der kulturellen Veranstaltungen finden Anklang bei der multikulturellen Bevölkerung des Kiezes, SO 36 in Kreuzberg, und ziehen Publikum aus vielen Ländern der Welt an.
Maßgeblich für diesen Erfolg ist neben der Besetzung, die diese Öffnung in den Kiez und in die Welt erst möglich machte, vor allem die Arbeit der Initiative Zukunft Bethanien. In ihr beteiligen sich neben Anwohnern und Interessierten aus ganz Berlin auch einige Leute des Hausprojekts New Yorck 59 im Bethanien. Die IZB hat im vergangenen Jahr ein Bürgerbegehren mit über 14.000 Unterzeichnenden zum Erfolg geführt und in schwierigen Verhandlungen die politischen Verantwortlichen der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) zu einer Umkehr ihrer verfehlten Politik bewegt. Die Privatisierung, der Ausverkauf des Bethanien, wurde gestoppt und die Entwicklung eines sozialen, künstlerischen, kulturellen und politischen Zentrums festgeschrieben. Dieses soll selbstverwaltet sein. Zudem wurde das schlimme Thema der Kalkulatorischen Kosten aufgeworfen. Mit diesen werden die Bezirke vom Senat zur Verscherbelung von Immobilien getrieben.
Außerdem wurde im Beschluss die Schaffung eines Anwohnerforums festgeschrieben. Erhebliche Widerstände dagegen gab es bereits damals von der Mehrheitsfraktion der Grünen. Aber auch PDS und SPD stellten sich als sachlich inkompetente und demokratisch schwerfällige Gesprächspartnerinnen heraus. Die IZB setzte sich diesen Verhältnissen dennoch aus, leistete die von der Politik versäumte Arbeit und konnte dann weitreichende Zugeständnisse erringen. Allerdings wurde damals eine Konkretisierung des geplanten Anwohnerforums blockiert. Mittlerweile trifft sich im Casino des Bethanien regelmäßig ein Runder Tisch unter dem Moderationsvorsitz des grünen Bürgermeisters Schulz. Dort sind alle Nutzer des Bethanien beteiligt und andere Interessierte willkommen. Lediglich die Geschäftsführung der durch ihr elitäres Kunstverständnis geprägten Künstlerhaus Bethanien GmbH hat sich zurückgezogen. Der Chef Christoph Tannert hatte allerdings von vornherein keinerlei Zusammenarbeit zugestimmt und die anderen Nutzer bei jeder Gelegenheit krude beschimpft. Diese stehen bis heute einer Zusammenarbeit offen gegenüber und warten im Grunde auf einen Mentalitätswechsel bei den elitären Nachbarn.
Bei der gestrigen Sitzung wurden u. a. die Ergebnisse der parallel zum Runden Tisch eingerichteten Initiativplattform vorgestellt. An ihr sind die Nutzer beteiligt. Sie soll dem Runden Tisch Vorschläge unterbreiten. Die SPD wird am Runden Tisch durch die Bezirksverordnete Dorit Lorenz aus Friedrichshain und die Finanzstadträtin Klever vertreten. Beide stehen insbesondere den Besetzern skeptisch gegenüber. Grüne, PDS und WASG stehen diesen zwar offener gegenüber, wirken aber an der konstruktiven Arbeit auch nur sehr unzureichend mit. Auch der mit der Vermietung und Verwaltung betraute Grundstücksservice des Bezirks blockiert die Einrichtung eines Anwohnerforums. Im späten Herbst aber soll die BVV einen weitreichenden Beschluss zur Zukunft des Bethanien fassen, in dem auch die Trägerschaft und die Finanzierung geregelt werden. Grundsätzlich geht es im Streit zu Einzelfragen immer auch um die Nutzung der vielen Räumlichkeiten des Bethanien. Die langjährigen öffentlichen Nutzer wie die Musikschule und das öffentlich geförderte Künstlerhaus verteidigen ihre Pfründe zäh und übersehen die eigenen Vorteile einer Neukonzeptionierung, z. B. die weitaus moderateren Mieten und anderen Kosten. Misswirtschaft und Missgunst lassen grüßen. Gleichzeitig soll die Öffnung des Hauses in den Kiez verhindert werden. Man misstraut den Anwohnern und versucht, sie draußen zu halten.
Die empörten Nachfragen einiger Anwohner blieben während der gestrigen Sitzung unbeantwortet. Die Funktionsträger blockierten den weiteren Verlauf. Der Bürgermeister lud in seiner Verzweiflung zu einem Treffen ein, bei dem die konkrete Anfrage eines Raumes für das interkulturelle Anwohnerforum SOFA geklärt werden soll. Ein anderes Forum gibt es bislang nicht. Wieder führen die Bethanier die Entwicklung an. Das bereitet einigen einige Sorgen. Gut so. Ein „Bethanien für alle“ rückt näher.
Es bleibt spannend!