Hurra, ich lebe noch


Nachdem ich gestern den Schleier gelüftet, die rosarote Brille abgesetzt und meinem Staat ganz tief ins polizeiliche Auge gesehen hatte, da war ich plötzlich richtig verliebt – verliebt in den Gedanken, ohne ihn zu leben. Weitere Konsequenz: Ich benötigte dringend ’nen Zauberstab, zwei Wasserwerfer und mindestens drei Wochen Kur. Eigentlich.

Für die ganz gewiss notwendigste Angstsituation meines bisherigen Daseins darf ich den paramilitärischen Einheiten unseres ach wunderschönen, aber seit jeher hässlich interpretierten Landes meinen tiefsten Dank aussprechen. Denn Angst löst bei mir Schrei(b)blockaden. Kleiner Scherz, har har.

Plötzlich eingepfercht – vorne zu, hinten zu, Seiten zu, viel zu viele Menschen auf viel zu engem Raum – und von in Panik vor gepanzerter Gewalt und Gas fliehenden Hunderten an eine Hausfassade gepresst, erlebe ich dies kollektive Vergnügen der Extraklasse, welches sowohl einem beginnenden Wonnemonat als auch wirklich jeder Prä-, Post- und sonstigen Demokratie unserer Zeit vollkommen angemessen und verhältnismäßig erscheint. Dann von kraftstrotzenden Robocops noch etwas fester mit den bislang ahnungslosen anderen zusammengepresst zu werden – Atmen, by the way, wurde dabei zur Glückssache –, überstieg selbst die Erwartungen der mitgefangenen Veteraninnen und Hartgesottenen; und das ist auch gut so, denn wer ist nicht gern mal überrascht!

Panisch aus der Menge gekämpft, so umsichtig wie möglich und so zupackend wie nötig, schließlich an Kesselrand und Polizeisperre angekommen, schallt es mir entgegen: „Vorne raus!“ Immerhin, die Staatsmacht hat Humor. Da hilft nur eins: sich Flügel wachsen lassen. Syrien ist näher als man denkt.

2. Mai. Hurra, ich lebe noch!

Ostprinzessin

Was ein Bohei: ganz Berlin liebt Kapitalismus und die Polizei.


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