Luftschlösser versenken!


Die Freunde vordemokratischer Restauration hatten jüngst wieder einen Grund, die Korken knallen zu lassen: Der Haushaltsausschuss des Bundestages fand sich mit den – bestimmt nicht zum ersten Mal – gestiegenen Baukosten für die Wiedererrichtung des Berliner Stadtschlosses ab und genehmigte mal eben die Erhöhung der Kostenobergrenze von 552 auf 590 Millionen Euro. Somit sollen nun der Bund mit 478 Millionen Euro und das Land Berlin mit 32 Millionen Euro für den Schlossbau aufkommen. Der fehlende Betrag von 80 Millionen Euro soll durch private Spenden aufgebracht werden, die wiederum für den Nachbau der „historischen“ Fassade, eine Kuppel und drei Innenportale verwendet werden sollen.

Es gibt zwar nach wie vor Zweifel, ob diese Summe eingesammelt werden kann und ob sie dann auch wirklich ausreicht – aber wenn es um repräsentative Protzbauten geht, vergisst die politische Klasse schnell ihre sonstigen Litaneien von Sparzwängen und leeren Kassen. So sagte jüngst Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), seines Zeichens Mitglied im Stiftungsrat der „Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum“ in der TAZ, dass zwar so viele Spenden wie möglich gesammelt werden müssten, sollten diese aber nicht ausreichen, sei „notfalls“ der Staat gefragt, die fehlenden Summen auszugleichen. Immerhin, so Thierse an anderer Stelle, handle es sich bei dem Stadtschloss um „das größte Kulturprojekt“ in der Geschichte der Bundesrepublik.

Die wirklichen Hauptfunktionen dieses „Kulturprojektes“ sind allerdings schnell benannt: Bei der im April 2013 geplanten Grundsteinlegung sowie der Mitte 2019 geplanten Eröffnung können sich Politiker filmen lassen, wie sie ein schwarz-rot-goldenes Bändel durchschneiden und dabei historisierend-staatstragend daherplappern. Weiterhin bietet das Schloss künftigen Berlin-Touristen ein Fotomotiv mehr und Schulklassen auf Jahresfahrt eine zusätzliche Stätte zum gelangweilten Lauschen der Ausführungen ihres Gemeinschaftskundelehrers. Und weil das Bauprojekt nun mal in Berlin steht, wird das passieren, was in Berlin immer passiert: Termine verzögern sich, die Baukosten steigen „völlig unerwartet“ und die Steuerzahler kommen schließlich für so gut wie alles auf. Wenn sie Glück haben, gibt es irgendwann später noch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Kostensteigerungen und zur Verwendung von Spendengeldern. Dies ist zumindest naheliegend, betrachtet man sich das bisherige Wirken des „Fördervereins Berliner Schloß“, dessen Geschäftsgebaren immer wieder kritisiert wird.

Wenigstens wird die Bevölkerung nicht wie im Mittelalter mit Zwangsabgaben für den Bau von Herrschaftsrepräsentanzen drangsaliert, sondern ganz demokratisch vor die Wahl gestellt: Entweder mit Spenden oder mit Steuern alles zu finanzieren. Und wenn dann für die Jugendhilfe in Neukölln oder eine vernünftige Ausstattung von Kitas und Schulen kein Geld mehr da ist, kann sich wenigstens mit den Politikern und den Abendschau-Moderatoren über eine neue Berlin-Marketing-Attraktion gefreut werden. Andererseits aber könnte sich die heutige Bevölkerung auch ein Beispiel an den spätmittelalterlichen Berlinern nehmen. Als ihnen das Treiben des Kurfürsten Friedrich II. zu bunt wurde und er ihnen auch noch ein Gelände am Spreeufer des damaligen Cölln (heute Mitte) abknöpfte, um darauf sein Schloss zu bauen, besetzten sie 1448 kurzerhand das Berliner Rathaus und setzten den Bauplatz für das Schloss unter Wasser. Etwas weniger Thierse und etwas mehr Berliner Unwille – das wäre mal was.

Benedict Ugarte Chacón


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