Zur Verhaftung von Andrej H.


Erklärung der MieterEcho-Redaktion

Völlig überraschend musste die MieterEcho-Redaktion der Tagespresse entnehmen, dass gegen Andrej H. Haftbefehl erlassen worden sei. Ihm wird vorgeworfen, Mitglied einer „Militanten Gruppe“ (mg) zu sein. Bei dieser Gruppe – in der Presse als bislang wenig bekannt beschrieben – soll es sich um „Feierabendterroristen“ mit verschwörungstheoretischer Argumentation handeln, die durch das Anzünden einiger Kraftfahrzeuge „die gegenwärtigen staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen zugunsten einer kommunistischen Weltordnung zu beseitigen“ gedenke. Andrej H., dem keine Brandstiftung vorgeworfen wird, habe, so die Bundesanwaltschaft, „umfassende konspirative Kontakte“ – konkret zwei Begegnungen in diesem Jahr – mit einem der mutmaßlichen Brandstifter gehabt und verwende „Schlagwörter und Phrasen“, die auch in den Texten der mg zu finden seien.

Andrej H. gehört seit vielen Jahren zur Redaktion des MieterEcho, der Zeitschrift der Berliner MieterGemeinschaft, in der er regelmäßig – in jeder Ausgabe – mehrere Beiträge veröffentlicht. Er bedient sich dabei der Begrifflichkeit, die auch die internationale Gemeinschaft der Sozialwissenschaftler verwendet, der Andrej H. als Mitglied der INURA, einem renommierten internationalen Verbund von Stadtsoziologen, zugerechnet werden muss. Seine Forschungsschwerpunkte waren Stadterneuerung in Ostberlin und die Auswirkungen der Privatisierung öffentlicher Wohnungsbauunternehmen.

Seit einiger Zeit beschäftigt er sich mit Analysen des Berliner Wohnungsmarktes, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Wohnungsversorgung für ALG II Empfänger. Für die Berliner MieterGemeinschaft erarbeitet er z. Zt. einen Überblick über die Struktur des europäischen Mietwohnungsbestandes.

Andrej H. ist einer der wenigen unabhängigen kritischen Wissenschaftler, die ihre wissenschaftliche Arbeit nicht von praktischem, zivilgesellschaftlichem Engagement trennen. Die Ergebnisse seiner Arbeit stellt er regelmäßig den Betroffenen zur Verfügung, so erst unlängst den gewerkschaftlichen Erwerbslosengruppen, in einer Veranstaltung im DGB-Haus, zu der der Erwerbslosenausschuss von ver.di eingeladen hatte.

Andrej H. war in den 90er Jahren in der Betroffenenvertretung des Sanierungsgebietes Helmholtzplatz aktiv und ist immer noch Teil einer Bürgerschaft, die sich nach der Wende insbesondere im Prenzlauer Berg ein hochentwickeltes politisches Bewusstsein erworben hat. Diesem gesellschaftlichen Milieu entstammen viele Personen, die inzwischen – über den engen bezirklichen Rahmen hinaus – politische Verantwortung in dieser Stadt übertragen bekommen haben.

Die Verhaftung von Andrej H. ist ein Angriff auf eine Wissenschaft, die sich der aktuellen Instrumentalisierung im Sinne neoliberaler Verwertungsprozesse entzieht und sie ist darüber hinaus ein Angriff auf eine kritische Zivilgesellschaft, zu der auch die Berliner MieterGemeinschaft gehört.

Die Verhaftung von Andrej H. lässt die Deformationen erkennen, die einer Gesellschaft durch eine radikale Politik drohen, wie sie der derzeitige Innenminister Schäuble durchsetzen möchte.

Joachim Oellerich, MieterEcho
Erklärung vom 5.8.07

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