Indymedia und AbrissBerlin starten Special


In Zusammenarbeit mit Indymedia erscheint in einigen Tagen ein 8-seitiger Print zu „Mediaspree“ und den Hintergründen. Er ist als klassische Information für Anwohner gedacht und wird in den Kiezen verteilt. Die Themen aber gehen weit darüber hinaus und bieten einen Überblick über die Folgen und Mechanismen von Gentrification – kiezweit bis weltweit betrachtet – und über den Widerstand der Betroffenen. Alle Artikel erscheinen auch hier. Den Anfang macht dieser.

Spreeufer neudenken – Mediaspree versenken

„Mediaspree“ ist ein Beispiel dafür, dass Stadtplanung und öffentlicher Raum von Bauwirtschaft, „Investoren“, Aktienfonds und Großkonzernen vereinnahmt werden. Stadtentwicklung ist aber viel mehr als eine lukrative Investition mit hohem Gewinnpotential für Wenige. Stadtraum erschöpft sich nicht in Büroblocks, Gewerbeflächen, Lofts und Spaßarenen, die den Leerstand weiter vergrößern. Gerade die besondere Geschichte Berlins, die sich daraus ergebenden Zwischennutzungen, die Freiflächen, die noch vorhandenen industriehistorischen, unter Denkmalschutz stehenden Gebäude und auch Berlins bestehende und wachsende Alternativkultur, im kulturellen, im politischen, im unternehmerischen Bereich, verlangen eine andere, eine offene, zugängliche Planung. Das Bestehende muss einbezogen und Freiräume müssen weiterentwickelt werden. Es ist falsch, die gewachsenen Strukturen über Bord und die Grundstücke den Finanzinvestoren in den Rachen zu werfen. Dies entspricht in keiner Weise der Lebenswirklichkeit dieser Stadt, weder jetzt noch in Zukunft.

„Mediaspree“ wurde vom Senat als Stadtumbaugebiet beschlossen und ist nun Leitprojekt des Stadtentwicklungskonzeptes bis 2020. Im Bewusstsein der Anwohner ist es wenig präsent, obwohl im betroffenen Kreuzberg und Friedrichshain schon die ersten Mieterhöhungen spürbar werden, Wohnhäuser verkauft und von „Investoren“ erworben werden.

Mit dem „Bürgerbegehren Spreeufer für Alle“ und anderen Aktionen wollen wir deutlich machen, was „Mediaspree“ bedeutet. Die Konzerne, die sich für „Mediaspree“ engagieren, haben nur Interesse an maximalem Profit. Egal, ob kommerzielle Kultur (O2 World), Büroflächen oder Eigentumswohnungen errichtet werden, Zweck der Bebauung ist die privatwirtschaftliche Gewinnerwartung. Der Verkauf der städtischen Grundstücke bedeutet die Privatisierung öffentlichen Raumes. Hier darf sich nur noch der „Konsument“ bewegen. Ein aktuelles Beispiel zeigt: Die Immobilienentwicklungsgesellschaft Fortress begann im August mit dem Bau eines neuen Multi-Service-Centers an der Jannowitzbrücke. Einziehen sollen ein Lidl-Verbrauchermarkt, ein Burger King-Schnellrestaurant, eine Tankstelle. Solche Center bündeln auf innenstadtnahen, verkehrsgünstig gelegenen Grundstücken Mieter rund um das Auto, wie Tankstellen, Waschstraßen, Autohandel und weitere autofreundliche Services: Schnellrestaurant, Bäckerei, Lebensmittelhandel, Sonnenstudio, Mode-Discounter. Ist das die Vision des zukünftigen urbanen Lebens? Discounter, Callcenter, Fastfoodketten? Noch mehr Autoverkehr? Zufahrtsstraßen und auch die geplante Straßenbrücke würden die Kieze durchschneisen und die Innenstadt noch mehr zur Autostadt machen. Noch mehr Profite an Konzerne, die sich der Besteuerung längst entzogen haben? Wohin teure Mieten und Vernichtung des öffentlichen und sozialen Wohnungsbaus führen, braucht man sich bloß in anderen Städten einmal anzusehen. Ein privatisierter und überwachter Stadtraum? Und dies alles entwickelt mit öffentlichen Förderungen?

Wir glauben nicht, dass es gut ist, die Gebiete längs der Spree in einen weiteren, großflächigeren Potsdamer Platz umzubauen. Dies wäre ein städtebauliches, umwelt- und sozialpolitisches und auch finanzielles Desaster. Wir wollen eine Diskussion über alternative Entwicklungen anregen. Wir wollen den Prozess demokratisieren, weil die Öffentlichkeit bisher mit vollendeten Tatsachen und „Sachzwängen“ überrumpelt und der Bezirk von den „Investoren“ erpresst wurde. Der Bezirk profitiert nicht von leer stehenden Büroklötzen – das Land mit seinen kurzsichtigen Grundstücksverkäufen nur einmal. Berlin hat wesentlich mehr von Spreeuferbereichen mit öffentlichen Nutzungen. Die Menschen, die in Kreuzberg und Friedrichshain wohnen, haben – etwa als Arbeiternehmer und Mieter – ein eigenes Interesse, das sich nicht mit dem Interesse der „Investoren“ deckt: „Gute“ Arbeit zu gutem Lohn, günstige Mieten und kulturelle Angebote, öffentlich nutzbare Freiflächen. Allerdings wird eine alternative Stadtplanung nicht aus den etablierten Strukturen kommen, sondern muss von unten durchsetzt werden.

Carsten Joost, Malah Helman – Initiativkreis Mediaspree Versenken

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