Ankerplatz Zukunft: Medien, Märkte, Menschen


In Zusammenarbeit mit Indymedia erscheint in einigen Tagen ein 8-seitiger Print zu „Mediaspree“ und den Hintergründen. Er ist als klassische Information für Anwohner gedacht und wird in den Kiezen verteilt. Die Themen aber gehen weit darüber hinaus und bieten einen Überblick über die Folgen und Mechanismen von Gentrification – kiezweit bis weltweit betrachtet – und über den Widerstand der Betroffenen. Alle Artikel erscheinen auch hier:

„Mediaspree“ und der neoliberale Stadtumbau

Berlin ist „sexy“, Medien sind auch „sexy“. Die Medien- und Kreativbranche gilt als Wachstumsmarkt. Berlin-Brandenburg ist eine der potentesten Medien- und IT-Regionen in Deutschland. So arbeiten in Berlin 150.000 Menschen in mehr als 12.000 Unternehmen aus der Medien- und Kommunikationswirtschaft, mit einem jährlichen Umsatz von mehr als 12 Milliarden Euro. Klaus Wowereit hat Kultur und Medien unlängst zur Chefsache erklärt und verwaltet auch den Kultursenat. „Public Private Partnership“ heißt die Plattform, auf der die Akteure aus der Wirtschaft mit öffentlichen Einrichtungen kooperieren. Privatwirtschaftliche Interessen werden schnell und unbürokratisch mit öffentlichen Institutionen vernetzt, gefördert und ausgebaut. Die in Berlin vorhandenen Förderungen, Strukturen und Plattformen in Wirtschaft und Medien wurden erweitert, die Zusammenarbeit mit privatwirtschaftlichen Initiativen vertieft. Es finden sich die üblichen personellen Verquickungen, die Übergänge zwischen Politik und Wirtschaft sind fließend.

„Mediaspree e.V.“, vormals „Spreemedia GmbH“, entstand 2002 aus einer privatwirtschaftlichen Initiative um Investoren aus der Bau- und Immobilienwirtschaft, die nach der Wende die Brachen des ehemaligen Grenzgebietes erworben hatten und deren Entwicklung und Aufwertung nun betrieben werden soll. Der Verein verfolgt angeblich gemeinnützige Zwecke, dennoch dürfen nur Personen Mitglied werden, die Grundstücke besitzen oder anderweitig beteiligt sind. „Mediaspree“ wird mit 300.000 Euro jährlich aus sog. GA-Mitteln (Fördermittel der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“) finanziert, das sind 80% der Gesamtkosten. Die öffentliche Hand bietet zudem Investitionshilfen, mit denen Unternehmen wie Universal und MTV angesiedelt wurden. Mit Beihilfen des Senats wird das Gebiet erschlossen, für das Anschutz-Areal gab es 19,4 Millionen Euro. Über das Arbeitsamt können Förderungen für Arbeitsplätze beantragt werden.

„Mediaspree“ übernimmt das Marketing, fungiert als Contactpoint, auch auf internationalen Business– und Immobilienmessen. Geworben wird mit Berlins Kreativen. Auch wegen der niedrigen Löhne ist Berlin für Unternehmen und Investoren interessant. Geplant sind zwischen Jannowitz- und Elsenbrücke diverse Hochhäuser, Büroblocks und exklusives Wohnen links und rechts der Spree. Bisherige Nutzer von Freiräumen, alternative Gestaltungen und soziale Komponenten fehlen im Konzept völlig. Eindrücke vom zukünftigen Aussehen gibt es schon an einigen Ecken: Die Trias von der DG Anlagengesellschaft, das „Quartier Orange“, die „Oberbaum-City“, Universal und die „Spreespeicher“. Das Schlüsselprojekt „O2 World“ wurde von Anschutz, einem amerikanischen Unternehmen der Eventbranche, entwickelt. Finanziert wird die riesige Multifunktionshalle mit 17.000 Plätzen über die Namensrechte, die O2 erwarb.

Massenhaft neue Arbeitsplätze erhofft sich Ingeborg Junge-Reyer, Senatorin für Stadtentwicklung. Ein genauer Blick offenbart die zukünftig prekäre Beschäftigung im Servicebereich, viele Arbeitsplätze werden nur zur Bauphase entstehen. Der Callcenter-Bereich verspricht eine hohe Rendite auf dem Rücken von Billiglohn-Beschäftigten. Hier sind gleich zwei „Mediaspree“-Unternehmen tätig: Die im Turm der „Oberbaum-City“ ansässige Service-Tochter der BASF mit 500 Arbeitsplätzen, sowie das neue „Vorzeige“-Callcenter der Arcandor AG (Karstadt, Quelle). Dieses Callcenter, das zukünftig auch für andere Unternehmen arbeiten will, besticht durch besonders niedrige Löhne. Die Arbeitsverträge sind auf maximal 6 Monate befristet. De facto bekommen die meisten der so Beschäftigten noch ergänzend Hartz IV – so funktioniert indirekte Wirtschaftsförderung. Im sog. Stadtentwicklungsprogramm „Stadtumbau West“ ist vorgesehen, auch das Kreuzberger Spreeufer zum „hochwertigen innerstädtischen Wirtschaftsstandort“ zu entwickeln und „zukunftsfähige Arbeitsplätze in der wissens- und produktionsorientierten Dienstleistungsökonomie“ zu schaffen.

Stadtentwicklung ist mehr als Wirtschaftsförderung oder Bebauung. Es geht um Bewohner, um soziale und kulturelle Entwicklung. „Mediaspree“ dagegen gibt das Spektrum der profitorientierten Gesellschaft wieder: Zwischen der Verflechtung von Kapitalinteressen, prekärer Beschäftigung, globalen Akteuren, Medienhype und Kreativwirtschaft. Und Klaus Wowereit wird den Bürgern im Verlauf der Amtsperiode sicherlich noch erklären, warum ihre Armut „sexy“ ist.

Malah Helman

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