Das Phänomen Mediaspree


Aus den Reihen des Initiativkreises Mediaspree Versenken wurde das laufende Bürgerbegehren in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) vorgestellt. In einem Beitrag wies ich darauf hin, daß das Argument der Arbeitsplatzschaffung für uns fragwürdig ist, da viele dieser neu geschaffenen Arbeitsplätze prekär sind. Eine Debatte um die Arbeit der Zukunft muss endlich einmal von der Basis aus geführt werden. Kreuzberg mit seiner widerständigen Geschichte könnte dabei Anhaltspunkte geben.

Offenbar gab es wenige Tage später bei der Anschutz-O2-World-Großbaustelle eine Razzia des Zolls: „38 Schwarzarbeiter wurden gestellt. Bei der Kontrolle am Mittwochmorgen gaben die Bauarbeiter zu, staatliche Transferleistungen wie Arbeitslosengeld zu erhalten, wie das Berliner Hauptzollamt mitteilte. Der Zoll überprüfte 311 Mitarbeiter von 90 Firmen und stellte dabei auch zahlreiche Verstöße gegen den Mindestlohn fest. Sieben Baufirmen würden ihren Mitarbeitern vermutlich nur sechs bis sieben Euro Stundenlohn zahlen. Der Mindestlohn auf dem Bau liege aber bei 10,40 Euro für Hilfskräfte und 12,50 Euro für Facharbeiter.“ (Berliner Zeitung) Auch einer der an „Mediaspree“ mit einem Bauprojekt – dem Columbus-Haus – beteiligten Baufirmen, Wayss & Freitag, unterbietet derzeit beim Ausbau der Autobahn A 8 (Augsburg – München) festgelegte tarifliche Leistungen.

In der BVV wurde das Argument, „Mediaspree“ schaffe hauptsächlich Billiglohnarbeitsplätze von dem Bürgermeister Franz Schulz und einigen Verordneten heftig zurückgeweisen.

Das Phänomen „Mediaspree“ steht für Vieles. Es stellt keine Fragen, es behauptet nur. Es fällt architektonisch und inhaltlich in Zeiten der Agenda 2010 zurück: Stadtraum nur für Konzerne und Investoren, Überwachung des Stadtraums, Büroblöcke, Prekariat, Konsumterror, Massenevents, Autostadt. Selbst bei einigen Spitzen der SPD ist die Fragwürdigkeit der Agenda 2010 mittlerweile einmal ausgesprochen worden. Die Agenda ist überholt und wird von Leuten vertreten, die selbst nie einmal den Auwirkungen der Agenda ausgesetzt waren, die sie nie einmal prekär leben oder arbeiten mußten.

Das ist ja das Fatale an der Politik: Sie schafft Rahmenbedingungen für Andere, während sich ihre Vertreter_innen im Amt einrichten (ohne die Verantwortung zu übernehmen) oder gleich für ihre Bakschischgeber, den Konzernen, offiziell tätig werden.

Auch der Club Spindler & Klatt zeigt, im Gegensatz zu den vorhandenen Clubs links und rechts der Spree, die ja den Bauprojekten weichen sollen, dieses vermeintlich neue Gesicht. Die nicht anders als sexistisch zu beschreibenden Werbeplakate und das geschmacklose, nicht einmal genehmigte Fotoshooting am Holocaustdenkmal zeigen es, das Gesicht eines geschichts- und gesichtslosen Kapitalismus, der nichts kennt außer Fassaden, von denen keiner träumen will.

Vermutlich besteht für Manche die Welt nur aus Brüsten und Ärschen. Ärsche scheint es in manchem Projekt genügend zu geben. Vielleicht ist manches Plakat in diesem Sinne zu verstehen.

Schaut man sich die Geschehnisse um das Projekt einmal genauer an, dann kann man es keinenfalls als zukunftsweisend oder gar als Gewinn für die Stadt betrachten. In diesem Sinne: Mit uns, den Menschen, die hier leben, ist „Mediaspree“ nicht zu machen.

Malah Helman

P.S.: Und die es begreifen, die werden stündlich mehr.

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