Zwist um Sonderausschuss


Junge Welt, 13.08.2008:

Zwist um Sonderausschuss

Die Auseinandersetzung um die Zukunft des Berliner Spreeufers geht in die nächste Runde. Ende September soll sich ein Sonderausschuß der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg konstitutieren. Damit reagiert der Bezirk auf einen Bürgerentscheid von Mitte Juli. Mehr als 87 Prozent der Teilnehmer hatten für einen 50 Meter breiten freien Uferstreifen und gegen den Bau weiterer Hochhäuser und einer geplanten Autobrücke gestimmt. Der Sonderausschuß soll nun die einzelnen Spreegrundstücke auf Möglichkeiten zu Planungsänderungen untersuchen und Empfehlungen an die BVV aussprechen. Vorgesehen ist, daß neun Bezirksverordnete, vier Deputierte der Bürgerinitiative „Mediaspree versenken!“ sowie die jeweiligen Eigentümer, Investoren und Zwischennutzer teilnehmen. Die Investoren haben allerdings schon erklärt, sich nicht an dem Gremium zu beteiligen.

Die Frage, wer die Bürgerinitiative vertreten soll, führte am Montag abend zu einem kleinen Eklat. Vor wenigen Tagen war bekannt geworden, daß die Sozialdemokraten und einer der Sprecher von „Mediaspree versenken!“, Carsten Joost, einen Stadtentwicklungsexperten der SPD als Vertreter der Bürgerinitiative vorschlagen wollen. Volker Härtig, Mitglied im Vorstand der Bezirks-SPD, hatte sich zuvor an verschiedenen Ideen­werkstätten zur Entwicklung des Uferstreifens beteiligt. Im Hauptberuf ist Härtig seit März 2008 Geschäftsführer der privaten Stiftung Denkmalschutz Berlin. Das Unternehmen ist in der vergangenen Woche in die Schlagzeilen geraten. Wegen des Anfangsverdachts der Untreue hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen eingeleitet. In diesem Zusammenhang wurden Büroräume des Bezirksamtes Mitte und der Stiftung durchsucht und Unterlagen sichergestellt. Der Ex-Hausbesetzer, Ex-Grüne und Ex-Abgeordnete steht bei „Mediaspree versenken!“ nicht in erster Linie aufgrund seiner Parteizugehörigkeit, sondern vor allem wegen seiner Tätigkeit bei der privaten Stiftung in der Kritik. „Wir sind eine Bürgerinitiative und kein Spielfeld für Vertreter exklusiver Clubs“, kritisierte Karin Baumert bei einer Sitzung der Initiative. Bei der Stiftung Denkmalschutz Berlin handele es sich um eine illustre Runde „typischer Berliner Prägung“, kritisiert Benedict Ugarte Chacón von der „Initiative Berliner Bankenskandal“. „Im Vorstand sitzen unter anderem der ausrangierte Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer, der schon erfolgloser Geschäftsführer der ‚Partner für Berlin GmbH‘ war und mit dieser Firma Unsummen an Steuergeldern mit merkwürdigen Projekten in den Sand gesetzt hat.“ Oder auch Reinhard Müller, seines Zeichens Diplom-Ingenieur und wie Härtig Projektentwickler. Müller sei gleich mit mehreren Vorhaben an der Entwicklung des Mediaspree-Areals beteiligt, so Ugarte. Das gleiche Bild im Kuratorium: Dort sitzen u. a. der Anwalt der in den Bankenskandal verwickelten Unternehmensgruppe ­AUBIS, Karlheinz Knauthe, der frühere Kultursenator Thomas Flierl (Die Linke) und der Unternehmensberater und Präsident des Abgeordnetenhauses Walter Momper (SPD). Eine Mehrheit in der Bürgerinitiative sprach sich am Montag gegen Härtig aus.

Die Landesregierung von SPD und Linkspartei hat es bereits kategorisch abgelehnt, aus dem Bürger­entscheid Konsequenzen zu ziehen. Sowohl Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) als auch Wirtschaftssenator Harald Wolf (Die Linke) schließen jede grundsätzliche Änderung an den Plänen der „Mediaspree“-Investorengruppe aus.


5 Antworten zu “Zwist um Sonderausschuss”

  1. Habe jehört, Carsten Joost hat ne „Gegendarstellung“ bei der jW jefordert und den Redakteur zusammenjeschissen. Weil dit aber keene falsche „Tatsachenbehauptung“ jewesen wär, bringse dit nur als Leserbrief…

    Viel Erfolg noch!

  2. Ich bin, ähnlich wie Herr Joost, auch nicht mit dem Inhalt des Artikels einverstanden. Ich wurde von Herrn Linde zur Initiative „Media Spree versenken“ befragt und um eine Einschätzung gebeten. Meine sorgfältig abgewogene Einschätzung kommt in dem Artikel jedoch gar nicht vor. Über die angesprochene Stiftung unterhielten wir uns nur am Rande. Außerdem unterschlägt Herr Linde an einer Stelle die Hälfte meines Nachnamens. Sorgfältiger Journalismus sieht anders aus!

  3. Hier die „sorgfältig abgewogene Einschätzung“ von Herrn Ugarte (Chacón), die dem „Zeilenzensor“ zum Opfer gefallen ist: „Bürgerinitiativen, die ernst genommen werden wollen, sollten bei der Wahl ihrer Kooperationspartner sehr sorgfältig vorgehen. Dazu gehört auch, dass man sich mit Akteuren wie Härtig auseinandersetzt, bevor man sie zur Zusammenarbeit einlädt.“

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