Bethanien: Unverkäuflich, aber Miete unbezahlbar


Über die Einflussnahme auf Stadtgestaltung durch Bürgerbegehren – das Beispiel Bethanien

Die Forderungen des ersten erfolgreichen Bürgerbegehrens in Berlin wurden von 14.000 Menschen unterstützt: Das Bethanien sollte nicht privatisiert und kommerzialisiert werden und weiterhin einer öffentlichen Nutzung unterliegen. Jetzt ignoriert die Politik den Willen der Bevölkerung: Sie verlangt Mieten, die faktisch eine Kommerzialisierung bedeuten, droht dem interkulturellen Anwohnerforum mit Räumung und verhindert und ignoriert das Engagement neuer, belebender Projekte.

Öffentliche Nutzung im Bethanien gefährdet

Seitens des Bezirksamtes und der Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) – voraussichtlich zukünftige Eigentümerin des Bethanien mit der Auflage treuhänderischer Verwaltung – werden derzeit den im Bethanien arbeitenden Einrichtungen (SportJugendClub, Kindergruppe Kreuzberg Nord e.V., Künstlerhaus Bethanien GmbH, Druckwerkstatt, Projektezusammenhang NewYorck etc.) Vertragsentwürfe unterbreitet. Mit Mietpreisen von 7,84 €/m² verhindert die öffentliche Hand eine öffentliche Nutzung im Sinne des Bürgerbegehrens und negiert damit auch den BVV-Beschluss, der eine kulturelle, künstlerische, politische und soziale Nutzung vorschreibt. Der Mietpreis liegt damit auch über der Höhe, die das Bethanien im Bezirkshaushalt mit kalkulatorischen Kosten ausgelöst hätte. Die Künstlerhaus Bethanien GmbH hat daher im Tagesspiegel (20.07.08) auch schon einen Auszug in billigere Räumlichkeiten angekündigt, um ihre Arbeit fortsetzen zu können.

Der Bezirk zieht sich aus seiner Verantwortung für den jahrelangen Missstand. Nun sollen innerhalb kürzester Zeit sowohl zukünftige Rücklagen gebildet als auch die jahrelang aufgelaufene Instandhaltungsrückstau abgebaut werden. Die abzutragende Summe summiert sich auf 2,5 Mio. €, die nun auf die zukünftigen Mieter abgewälzt werden sollen. Hier ist der Bezirk verantwortlich, seinem jahrelang fehlenden Engagement auch Rechnung zu tragen. Der Gipfel an Unverfrorenheit ist sicherlich, dass die öffentliche Hand nun auch noch verlangt, die öffentliche Hand zu subventionieren. Sie verlangt 250.000 € an Grundsteuern für das Land Berlin, damit das Bethanien im öffentlichen Eigentum verbleibt und in ein Treuhandvermögen überführt wird – eine Kuriosität.

Die Politik ist hier gefordert, für einen vernünftigen Übergang in eine kostendeckende Bewirtschaftung zu sorgen und die Zukunft nicht mit selbst verschuldeten Altlasten zu verbauen. So ist u. a. eine Umwidmung der bereits für Friedrichshain und Kreuzberg bewilligten und nicht abgerufenen Mittel aus dem Förderprogramm Städtebaulicher Denkmalschutz für das prestigeträchtige und einmalige Gebäude zu prüfen.

Interkulturelles Anwohnerforum vor der Räumung

Der BVV-Beschluss sah des Weiteren die Einrichtung eines interkulturellen Anwohnerforums vor. Nachdem es den Anwohnern durch zähes Ringen und der Vorlage mehrerer Konzepte am Runden Tisch Bethanien gelang, endlich einen ungeeigneten aber barrierefrei zugänglichen kleinen Raum anzumieten, droht die für die GRÜNEN gewählte Baustadträtin Kalepky jetzt mit Räumung. Ein alternativer Raum steht nicht zur Verfügung. Sie missachtet damit nicht nur das ehrenamtliche Engagement zahlreicher Anwohnern und die Forderung des Bürgerbegehrens, sondern auch den Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung. Mit der lapidaren Erklärung, dass Ersatzräume im Gebäude nicht zur Verfügung stehen, entspricht dieses Vorgehen de facto einer Auflösung des Anwohnerforums durch die Bezirksverwaltung. Andererseits hat der politische Wille der Bezirkspolitiker – entgegen den Stimmen der meisten Nutzer des Hauses am Runden Tisch und ohne Bürgerbegehren – der Kiezküchen GmbH eine zweijährige Zwischennutzung vertraglich ermöglicht.

Runder Tisch, Initiativplattform und Umgang mit Projekten

Der Runde Tisch Bethanien sollte für die Umsetzung des BVV-Beschlusses – unter Einbeziehung der Nutzer des Hauses, Anwohner, interessierten Projekten und Politiker – dienen. Die vom Bezirksbürgermeister Franz Schulz angeregte Initiativplattform arbeitete als Diskussionsforum und Arbeitsgruppe dem Runden Tisch zu. Der Großteil der auch von ihnen erarbeiteten Konzepte (Raumnutzungskonzepte, Kooperationsbeziehungen der Einrichtungen, moderiertes Auswahlverfahren, an der Selbstverwaltung orientierte Einbeziehung der Innen in hausbezogene Entscheidungen) scheinen genau wie die abgegebenen Bewerbungen der interessierten Projekte in einer Tischschublade verschwunden zu sein. Die vielen beteiligten Projekte haben bis heute noch keine Nachricht erhalten.

Auch nach rund 3 Jahren intensiver Arbeit der Initiative Zukunft Bethanien in verschiedensten Gremien ist das Ergebnis ernüchternd: Nach wie vor stehen ca. 600 qm im Mittelbau leer. Das einzige neu hinzugekommene und belebende Projekt – das interkulturelle Anwohnerforum – soll nun zu Gunsten von weiterem Leerstand auch noch geräumt werden.

Übriggeblieben vom engagierten Aufbruch für ein „Bethanien für Alle“ ist somit vorerst nicht viel. Berge von Papier, die heute größtenteils Makulatur sind, unzählige Stunden ehrenamtlich geleisteter Arbeit, die Vielen im Nachhinein als verschwendet erscheinen. Wer als Politiker von sich behauptet, demokratischen Strukturen ernsthaft einen Wert beizumessen und wem die zunehmenden Zweifel vieler Menschen am Funktionieren dieser Strukturen tatsächlich Sorge bereitet, sollte aufhören, sich willfährig zum Büttel der „Gesetze des Marktes“ und selbst geschaffener Sachzwänge zu machen. Die Politiker täten deshalb gut daran, den Anwohnern mehr zu vertrauen und konstruktiv mit Ihnen zusammenzuarbeiten und nicht deren Voten im Sinne der geplanten Stadtumstrukturierung zu verbiegen.

Sie sollten nicht glauben, dass wir so dumm wären, dieses Spielchen nicht zu durchschauen.


Eine Antwort zu “Bethanien: Unverkäuflich, aber Miete unbezahlbar”

  1. […] Währenddessen versucht das Bezirksamt das SOfA aus dem Bethanien zu werfen und stellt hohrende Mietforderungen von knapp 8 Euro pro m2. So war das beim Bürgerbegehren 2006 aber nicht gemeint! Das Bethanien sollte nicht privatisiert und kommerzialisiert werden und weiterhin einer öffentlichen Nutzung unterliegen. Jetzt ignoriert die Politik den Willen der Bevölkerung: Sie verlangt Mieten, die faktisch eine Kommerzialisierung bedeuten, droht dem interkulturellen AnwohnerInnenforum mit Räumung und verhindert und ignoriert das Engagement neuer, belebender Projekte. ABRISS-Berlin ist aus der Sommer-Melancholie erwacht und deckt die ganze Geschichte auf. […]

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