Rot-rot spart bei Demokratie


Der Böse Wolf erklärt Berlin

Senat lehnt Kita-Volksbegehren ab

Der Landeselternausschuss von Berlin hatte die Initiative für das Volksbegehren „Kitakinder + Bildung von Anfang an = Gewinn für Berlin“ ins Leben gerufen. Mit dem Volksbegehren wollten die Initiatoren die Bildungsqualität für alle Kitakinder verbessern. Dies sollte unter anderem durch eine gesetzlich festgeschriebene intensivierte Betreuung und Förderung der Kinder geschehen. Gesammelt hat die Initiative 66.181 Unterschriften und war damit erfolgreicher als alle anderen Volksbegehren-Initiativen vor ihr.

Man möchte nun meinen, dass vorgebliche Sozialdemokraten und angebliche demokratische Sozialisten, die in Berlin die Regierung stellen, ob solcher bildungspolitischer Vorhaben beglückt in die Hände klatschten und sich freudig an deren Unterstützung machten. Immerhin heißt es in der Koalitionsvereinbarung: „Wichtiges Ziel unserer Kita-Politik ist die Qualitätsentwicklung auf der Grundlage des Berliner Bildungsprogramms.“

Doch es erging den Initiatoren des Kita-Volksbegehrens nicht anders als einigen Initiatoren vor ihnen: Ihr Begehren wurde vom Senat schlicht abgelehnt. Sie haben eben ihre Rechnung ohne die tranfunzelige Berliner Regierung gemacht. Hätten sie sich mit deren inoffiziellen Leitlinien befasst, dann wären sie darauf gekommen, dass diese Regierung sämtliche per Bürger- oder Volksbegehren eingebrachte Anliegen, die sich abseits von Gehwegbegrünung oder Spielplatzgestaltung bewegen, per se ablehnt. Beim Kita-Volksbegehren heißt es, es würde alles zuviel Geld kosten und sei deshalb abzulehnen. Ähnlich argumentierte der Senat beim Volksbegehren „Schluss mit dem Berliner Bankenskandal“ – um danach der Bankgesellschaft und ihrer Nachfolgerin jährlich Millionensummen nachzuschmeißen. Bei anderen Volksbegehren war es dann die angebliche Verletzung irgendwelcher Privatkonzerninteressen, so zum Beispiel beim Volksbegehren zur Offenlegung der geheimen Teilprivatisierungsverträge zu den Berliner Wasserbetrieben. Wenn dann ein Volks- oder Bürgerbegehren drohte, die erforderliche Stimmenzahl zu erreichen oder diese tatsächlich erreichte, reagierten die Regierungsvertreter obrigkeitsschnäuzig und gaben zu Protokoll, dass es sie einen feuchten Dreck interessiere, was dahergelaufene Bürger sich zu begehren erdreisten. So geschehen beim Volksbegehren zum Flughafen Tempelhof und dem Bürgerbegehren gegen das Mediaspree-Projekt in Friedrichshain-Kreuzberg. Die Stadtentwicklungssenatorin sah im für sie unbequemen Mediaspree-Bürgerbegehren gar „das Instrument Bürgerbegehren insgesamt infrage“ gestellt und bewies mit ihrem Tagesspiegel-Artikel, dass sie nicht nur von Stadtplanung, sondern auch von demokratischen Prozessen nichts versteht.

Jetzt mag wieder so Mancher mahnend auf den Koalitionsvertrag verweisen, in welchem geschrieben steht: „Wir wollen die demokratischen Mitwirkungsrechte der Bürgerinnen und Bürger weiter verbessern.“ Hier braucht es allerdings die Klarstellung, dass „wollen weiter verbessern“ nicht gleichbedeutend ist damit, dass hier irgendetwas Bürgerfreundliches angedacht war. „Wollen verbessern“ heißt, dass man es eben weniger schlecht machen will als vorher. Dies ist eigentlich auch die Quintessenz der rot-roten Regierungsmentalität, aber das ist ein anderes Thema.

Die Vorgänge um das Kita-Volksbegehren unterscheiden sich allerdings von denen um die anderen Volks- und Bürgerbegehren. Wenn es um Kinder geht, dann ist es ja scheinbar Konsens, dass man seine Ablehnung nicht allzu brachial formuliert. So gab der ansonsten eher bildungsferne SPD-Vorsitzende Michael Müller zum Besten, dass die Initiatoren des Volksbegehrens ja irgendwie das richtige Ansinnen hätten, das ganze aber zuviel Geld kosten würde und Berlin ohnehin schon genug für frühkindliche Bildung ausgebe. Andere Aussagen hätte man von diesem Politiker auch nicht erwartet. Interessanter war da schon die Ablehnungserklärung der Berliner DIE LINKE. Mittlerweile hat es die Vorstandsetage dieser Partei ja geschafft, eine Art von Dialektik zu kultivieren, die erstens ihres Gleichen sucht und die ihr zweitens niemand so schnell nachmacht: In ein und derselben Verlautbarung erklärt die DIE LINKE, dass sie die „wesentlichen Forderungen“ des Kita-Volksbegehrens unterstützt, gleichzeitig aber die Senatsentscheidung zur Ablehnung billigt. Ähnlich dialektisch agierte die DIE LINKE während der Unterschriften-Sammlung zum Volksbegehren zu den Wasserbetrieben. Während manche Vertreter wohlfeil erklärten, dass dieses Volksbegehren ja eigentlich die richtigen Ziele hätte, giftete der Ex-WASG-DIE LINKE-Emporkömmling Wolfgang Albers im Fernsehen gegen die Initiatoren, während der Landesvorstand einstimmig beschloss, die Auslage von Volksbegehren-Unterschriftsbögen in den Bezirksgeschäftsstellen zu verbieten.

Man muss natürlich die Frage stellen, warum dieser Senat erst mit großem Tamtam vorhandene direktdemokratische Instrumente ausbaut, um dann sämtliche Vorhaben diesbezüglich gehässig zu torpedieren oder gleich ganz zu verbieten. Die rot-rote Politik hat in diesem Bereich mittlerweile ein nur noch schwer erträgliches Ausmaß an Heuchelei erreicht.

Die Initiatoren des Kita-Volksbegehrens stellen zur Ablehnung fest: „Es ist offensichtlich, dass der Berliner Senat sich von der jungen direkten Demokratie bedroht fühlt“. Man kann es auch mit dem Berliner Abriss-Poeten Henrik Haffki halten: „Der Senat ist zum Kotzen.“

Benedict Ugarte Chacón

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