Gemeinsam mit Bekannten aus dem vor drei Jahren gegründeten Palastbündnis, das einige Monate lang mit spektakulären Aktionen (nicht nur) Berlin in Atem hielt, hat der Mitbegründer und Erfinder der Plattform ABRISSBERLIN eine neue Plattform ins Leben gerufen: Kein Schloss in meinem Namen!
Und wir alle können mitmachen.
Nach der albtraumhaften Entscheidung für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses bzw. für den Bau des Humboldtforums droht uns nun die tatsächliche Realisierung des Vorhabens. Doch die geplante, einer nationalen „Identitätsstiftung“ dienende Schlosskopie ruft seit vielen Jahren heftigen Widerspruch hervor. Im Namen der Geschichte wird Geschichte zerstört und verdrängt. Die Öffentlichkeit wird immer wieder aufs Neue über Zeitplan, Kosten und Finanzierung belogen und getäuscht, um das umstrittene Vorhaben einer berechtigten Kritik zu entziehen.
Wir können unser Nichteinverständnis geben: Hier!
Weitere Informationen zum Thema: www.schlossdebatte.de
Kein Schloss in meinem Namen
Die Bebauung des Berliner Schlossplatzes ist das wichtigste Kulturprojekt und größte staatliche Bauvorhaben in Deutschland für Jahrzehnte. Nach Ansicht der Initiatoren soll der Bau im Herzen der Hauptstadt identitätsstiftend für das wiedervereinte Berlin und Deutschland sein. Allerdings rief das Vorhaben seit Anbeginn einen gesellschaftlichen Dissens hervor.
Der im internationalen Wettbewerb gekürte Entwurf zur Wiedererrichtung des Berliner Schloss von Francesco Stella setzt die politischen Beschlüsse des Bundestages und der Bundesregierung konsequent um. Er überträgt die Ausschreibung mit all ihren konzeptuellen Problemen kritiklos in eine Architektur von nüchterner Serialität ohne Raffinesse und Poesie.
Wir erklären uns mit dem Schlossnachbau nicht einverstanden, weil er ein Bild von Geschichte und Gegenwart Deutschlands verkörpert, dass wir nicht teilen. Die Wiedererrichtung des Hohenzollernschlosses in idealisierter Form verdängt die Spuren deutscher Geschichte. Es ist eine Vergessensmaschine: Die wechselreiche, fast 600-jährige Bau- und Gesellschaftsgeschichte wird auf einen scheinbar zeitlosen Idealbaukörper reduziert, der alle Verwerfungen und Wandel deutscher Geschichte verdrängt und nach der erneuten Tabula-Rasa die Fiktion einer intakten Tradition zur Schau stellt. Die Spuren des 20. Jahrhunderts werden an diesem für die deutsche Geschichte so repräsentativen Ort ausgelöscht, um an eine vermeintlich heile Welt davor nahtlos anzuknüpfen.
Wir erklären uns mit dem Schlossnachbau nicht einverstanden, weil er sich von der Stadt abwendet. Das Schloss war einst nicht als öffentlicher Bau konzipiert. Die geschlossene Fassade gewährt keine Einblicke, nur über die fünf Portale kann man das introvertierte Innere betreten. Es gibt keine Geste der Öffnung wie etwa bei Schinkels Altem Museum mit Loggia und Freitreppe oder bei der Staatsoper mit dem Foyer, das sich zum Bürgersteig öffnet.
Wir erklären uns mit dem Schlossnachbau nicht einverstanden, weil das Nutzungskonzept uns nicht überzeugt. Das Nutzungskonzept des Humboldt-Forums entstand, um die Schlossfassade zu legitimieren, indem man sich auf die Kunstkammern des alten Schlosses berief. Seit Projektbeginn wurde die Nutzfläche halbiert, ohne dass die Ursprungsidee weiterentwickelt wurde. Die Landesbibliothek wird auf vier Standorte zerstückelt, an statt an einem Ort vereint zu werden. Die ethnologische Sammlung soll ihrer europäischen Abteilung beraubt werden, die in Dahlem verbleibt. Inzwischen ist das Humboldt-Forum zu einem austauschbaren Platzhalter verkommen und die Stimmen mehren sich, die es durch die Gemäldegalerie ersetzen wollen. Doch damit würde ein leeres Versprechen von staatsmännischer Biederkeit abgelöst, womit das Vorhaben seines letzten innovativen Potenzials beraubt würde.
Wir erklären uns mit dem Schlossnachbau nicht einverstanden, weil wir den Prozess seiner Durchsetzung kritisieren. Seit der Konzeption des Projektes im Jahr 2001 wurde die Öffentlichkeit über zentrale Fragen von den Verantwortlichen wiederholt getäuscht, um somit das Vorhaben einer berechtigten Kritik zu entziehen. Die Fehlinformation betrafen Fragen der Nutzung, der Kosten und Finanzierung, des Baubeginns und der Bauzeit. Der Zweck heiligte die Mittel, eine faire argumentative Auseinandersetzung war ebenso wenig gewünscht wie ein Wettstreit der Ideen. Beim Architekturwettbewerb brachte man den Mut nicht auf, sich der Konkurrenz alternativer Herangehensweisen zu stellen. Selbst der fast gleichrangig zum ersten Preis dotierte Sonderpreis wird entgegen dem Juryvotum vom Auslober gezielt in den Hintergrund gedrängt.
Mit dem eingeschlagenen Weg wird eine historische Chance der Gestaltung dieses einmaligen Ortes vertan. Das Projekt verbaut den Blick auf die Vergangenheit wie auf die Zukunft.
Wenn Sie auch Ihren Dissens artikulieren wollen, beteiligen Sie sich
unter: www.kein-schloss-in-meinem-namen.de
Kontakt: [email protected]
Eine Antwort zu “Kein Schloss in unserem Namen!”
Ein schön bissiger Kommentar von Jochen Schmidt in seiner Jahresvorschau 2009:
„Vermutlich werden in Berlin wieder ein paar neue Gebäude errichtet, die ich als störend empfinden werde. Ich warte auch noch auf eine Fernsehturmdiskussion, komisch, dass sie den noch nicht abgerissen haben. Man könnte doch an der Stelle irgendeine slawische Fischerhütte wieder aufbauen, die da historisch gesehen hingehört.“
(aus der zitty no.1 des Jahres)