Am 15.12.08 entschied das Kammergericht: „Kein Hausfriedensbruch in der Yorck59 – 145 ungültige Strafbefehle und eine rechtswidrige Räumung am 6.6.2005“
Dreieinhalb Jahre nachdem das Hausprojekt Yorck59 am 6.6.2005 mit polizeilichem Großeinsatz geräumt wurde, befand das Berliner Kammergericht am 15.12.2008 die Strafbefehle gegen aus dem Haus geräumte Aktivisten für ungültig. Zudem stellte das Gericht fest, dass die Räumung als Ganzes rechtswidrig war, da zu diesem Zeitpunkt keine Räumungstitel gegen die Bewohner des Hauses vorlagen.
145 ungültige Strafanträge
In dritter Instanz verhandelte das Gericht den Fall von Karla D.*. Ihr wurde wie 144 weiteren Personen vorgeworfen, am 6.6.2005 durch ihren Aufenthalt in den Räumen der Yorck59 gemeinschaftlichen Hausfriedensbruch begangen zu haben. Einen entsprechenden Strafantrag hatte der Hauseigentümer Marc Walter auf Anraten der Polizei bereits am 30.5.2005 gegen Unbekannt gestellt. Jedoch bestätigt der aktuelle Beschluss das vorangegangene Urteil des Oberlandesgerichts vom 16.4.2008, demzufolge der Hauseigentümer zum Zeitpunkt der Räumung überhaupt nicht dazu berechtigt war, Strafantrag zu stellen. Denn gemäß Mietrecht liegt das Hausrecht bis zur Räumung durch den Gerichtsvollzieher bei den Mietern. Und ohne Hausrecht, kann es keinen Hausfriedensbruch geben. Im diesem Fall handelte es sich bei den Mietern um ca. 50 Untermieter des Hausvereins Färbung e.V., auf den die Hauptmietverträge ausgestellt waren.
… und eine rechtswidrige Räumung
Weiterhin bestätigte das Gericht, dass der Gerichtsvollzieher Thomas Luedtke mit der Amtshilfe von 500 Polizeikräften das Hausprojekt ohne die notwendigen Titel gegen besagten Untermieter räumen ließ. Mit dieser Entscheidung ignorierte Herr Luedtke erstens mehrere Untermietverträge, die ihm von der rechtlichen Vertretung des Hausprojekts exemplarisch vorgelegt worden waren. Zweitens handelte er in logischem und rechtlichem Widerspruch zu einer Auskunftsklage, durch welche der Hauptmieter Färbung e.V. zur Herausgabe der Namen aller seiner Untermieter gezwungen wurde, um die notwendigen Räumungstitel gegen die tatsächlichen Hausbewohner ausstellen zu können. Bis zum 6.6.2005 lagen diese Namen weder der Hauseigentümerin „Yorck59 Gbr“ noch dem Gerichtsvollzieher vor.
Was folgt daraus?
Erstens: Das verbissene Vorgehen der Staatsanwaltschaft zeigt die politische Brisanz der heutigen Entscheidung; denn trotz dünner rechtlicher Grundlage war das vergleichsweise kleine Verfahren gegen Karla D. – es handelte sich um ein Strafmaß von 10 bis 30 Tagessätzen – bis in die dritte (!) Instanz getrieben worden. Insofern stellt das Urteil des Kammergerichts vom 15.12 für die Staatsanwaltschaft eine Blamage dar: 145 ungültigen Strafanträge und jeder dieser Strafanträge steht für ein Einzelverfahren. Für alle noch offenen Verfahren ist nun eine Einstellung auf Kosten der Staatskasse zu erwarten. Von Seiten der Yorck59-Unterstützer wird zudem geprüft, inwiefern aufgrund des heutigen Urteils eine Wiederaufnahme all jener bereits abgeschlossenen Verfahren möglich ist.
Zweitens: Die Räumung der Yorck59 ist nachträglich als gesetzeswidrig anzusehen. Diese Feststellung verändert an den vollendeten Tatsachen zwar nichts, denn das Haus gibt es nicht zurück. Was bleibt ist ein politischer Skandal, zumindest innerhalb der Logik des Rechtsstaats. Den rechtlichen Grundlagen zuwider hatte der Gerichtsvollzieher zugunsten der Interessen des Hauseigentümers gehandelt. Die Polizei leistete bei dieser unrechtmäßigen Räumung nicht nur Amtshilfe, sondern empfahl dem Hauseigentümer Walter, seinen unzulässigen Strafantrag zu stellen. Wie in den Aussagen der Polizeibeamten vor Gericht deutlich wurde, waren sie vom gleichen Hausbesetzerdiskurs benebelt, wie er von der Boulevard-Zeitung BZ zur Yorck59-Räumung geführt wurde: Sie sehen wie Besetzer aus und hängen Transparente aus ihren Fenstern; sie treten wie Besetzer auf und solidarisieren sich mit solchen — da wird der juristische Status als gewöhnliche Mieter gerne unterschlagen.
Drittens: An dem, was geschehen ist, rüttelt das aktuelle Urteil nicht. Aber es stärkt den Rücken und motiviert für alle weiteren Kämpfe: Aus dem politischen Druck, den der Yorck59-Hauskampf aufgebaut hat, war nur kurz nach der Räumung das NewYorck im Bethanien entstanden. Ganz aktuell steht dort ein nächster Hauskampf bevor, sollten die Verhandlungen mit dem Bezirk um bezahlbare Mietverträge scheitern. Dazu können wir nur sagen: Wir sind alle immer noch ein bisschen Yorck!
Mietsteigerungen stoppen! WANN wenn nicht JETZT!
Widerstand zünden! WO wenn nicht HIER!
Wir bleiben Alle! WER wenn nicht WIR!
* Bödiker 9 « Brunnen 183 « Liebig 14 « Liebig 34 « Linien 206 « Reichenberger 63 A « Reichenberger 114 « Rigaer 94 « Schokoladen / Acker 169 « Scharnweber 29 « Wagenplatz Schwarzer Kanal « NewYorck im Bethanien *
/Die Unterstützer der Yorck59/