Mediaspree: Versenken oder verbessern?


Erschienen in der Zeitschrift MieterEcho:

Die Bürgerinitiative „Mediaspree versenken!“ hat sich in die Realpolitik begeben – und droht dabei selbst zu versinken

„Mediaspree versenken!“ darf sich als eine der erfolgreichsten Bürgerinitiativen Berlins bezeichnen. Mit viel Engagement und Kreativität gelang ihr im Sommer 2008 ihr größter Coup. Beim von ihr initiierten Bürgerentscheid „Spreeufer für alle“ stimmten 87% der teilnehmenden Bürger/innen für das Ansinnen der Initiative – und damit gegen die ehrgeizigen Pläne von Investoren, Lobbyisten, etablierten Parteien und Bezirkspolitiker/innen, die an den Spreeufern von Friedrichshain-Kreuzberg nach wie vor eine überdimensionierte Betonlandschaft entstehen lassen wollen. „Mediaspree versenken!“ erwies sich als Bürgerinitiative im besten Sinn: Durch die lokale Mobilisierung „von unten“ dramatisierte sie die Entwicklung der Spreeufer und kanalisierte die Befürchtungen und den Ärger vieler Anwohner/innen. Mit dem erfolgreichen Bürgerentscheid wurde deutlich, dass Investoren und Politik ihre Rechnung ohne den Kiez gemacht hatten.

Vom Unwillen der Bürger/innen aufgeschreckt, ließ sich die Bezirkspolitik zu dem hinreißen, was sie am besten kann: einen Arbeitskreis zu bilden. Er heißt „Sonderausschuss Spreeraum“ und in ihm sollen Bezirkspolitiker/innen, Bürgerdeputierte der Initiative und Investoren in arbeitsamer Atmosphäre noch einmal über die Pläne für das Spreeufer debattieren. Die Investoren und Grundstücksbesitzer haben sich im Ausschuss bislang allerdings wenig konstruktiv gezeigt. Wenn sich „wichtige“ Leute wie der Behala-Geschäftsführer Peter Stäblein, der Chef des Liegenschaftsfonds Holger Lippmann oder der Anschutz-Geschäftsführer Detlef Kornett in die Sitzungen verirrten, machten sie zumeist klar, dass sie der Bürgerentscheid nicht besonders interessiere und sie im Interesse ihrer Unternehmen ihre Grundstücke zu „entwickeln“ hätten. Kornett ließ vor seinem großen Auftritt im Ausschuss eine servile Kiezreporterin der Berliner Zeitung von der großen Gefährdung für viele Arbeitsplätze künden, die eine Umsetzung der Vorstellungen der Bürgerinitiative angeblich bedeuten würde. Diese hatte vorgeschlagen, dass Anschutz auf vier Hochhäuser, die die zementierte Brache um die O2-World umrahmen sollen, verzichten könnte. Doch auch wenn Skeptiker zunächst vermuteten, beim Sonderausschuss handele es sich um ein „abgekartetes Spiel“, bei dem die Initiative nicht umsetzbare Maximalforderungen stellen und die Bezirkspolitik so lange herumlavieren würde, bis der Senat dem Bezirk die Kompetenz entzöge, ist es mittlerweile ganz anders gekommen. Die Initiative laviert nun selbst herum und hat darüber vergessen, in welche Richtung sie eigentlich will.

Abkehr von ursprünglicher Ausrichtung

So ist die Initiative von ihrer ursprünglichen Auffassung abgekommen, die in einem alten Aufruf nachzulesen ist und die die Kritik am Mediaspree-Projekt auf den Punkt brachte: „Es geht um Profit – um möglichst viele und teure Ufer(an)lagen mit privatisiertem Spreeblick. Im Mediaspree-Konzept wird nur in den Hochpreissektor investiert, der soziale Bereich fehlt völlig. Die geplante ‚Aufwertung’ führt zur Ankurbelung der Mietspirale, die antisoziale Entwicklung Berlins wird vorangetrieben (…)“. Um der befürchteten Entwicklung etwas entgegenzusetzen, formulierte die Initiative die im Bürgerentscheid zur Abstimmung gestellte Forderung, dass ein Mindestabstand von 50 Metern für Neubauten von den Spreeufern und eine Begrenzung der Höhe von Neubauten einzuhalten sei. Heute jedoch präsentiert die Initiative im Ausschuss „alternative“ Planungen für den Uferbereich, z. B. für das Osthafenareal in Friedrichshain, die ausgedehnte Grünflächen mit hohem Freizeitwert sowie eine „platzfassende Randbebauung“ enthalten. Besagte Randbebauung soll sich in der Bauweise von der bisher geplanten Investorenarchitektur unterscheiden und Gewerbe samt Wohnraum mit Spreeblick enthalten. „Engagieren sollen sich hier Wohnungsbaugesellschaften oder Baugruppen“, ist auf den Internetseiten von „Mediaspree versenken!“ zu lesen. Dass die Initiative mittlerweile auf die streng betriebswirtschaftlich ausgerichteten Berliner Wohnungsbaugesellschaften und auf Baugruppen aus dem wohlsituierten Mittelstand hofft, wie es auch bei einer Podiumsveranstaltung im Dezember 2008 deutlich wurde, ist vor dem Hintergrund ihrer ursprünglichen Forderungen recht erstaunlich. Denn solch hochwertiger Wohnraum würde, in welcher Form auch immer, zum Ausschluss der Öffentlichkeit an den Spreeufern führen und damit ein „Spreeufer für alle“ unmöglich machen. Darauf wies auch Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) die Initiativenvertreter/innen im Sonderausschuss hin.

Die unbedachte Neuausrichtung einiger Initiativenvertreter/innen provoziert mittlerweile deutliche Kritik innerhalb der Gruppe der Mediaspreegegner/innen und es kam – ganz wie in der richtigen Politik – zur Herausbildung mehrerer Fraktionen.

„Realos“ versus „Fundis“

Die „Realos“, die in der Arbeit des Sonderausschusses einen gangbaren Weg zum Erfolg sehen, müssen sich zwangsläufig kompromissbereit geben. Sie diskutieren mit den Profipolitiker/innen die Grundstücksplanungen hoch und runter. Doch mittlerweile deutet sich an, dass der Weg der Diskussionen, Kompromisse und Konsense dornenreicher und steiniger ist, als so mancher erwartet hatte. Der Ausschuss hat bislang jedenfalls kein großartiges Ergebnis vorzuweisen und die wiederholten Meldungen aus Richtung der Initiative, die Ausschussarbeit sei unheimlich erfolgreich, klingen eher nach Durchhalteparolen.

Die „Spreepirat_innen“, eine Nebengruppe von „Mediaspree versenken!“, kritisieren die Ausrichtung der „Realos“ mehr oder weniger scharf. Und selbst von Ausschussvertretern der Initiative kamen harsche Worte. Der mittlerweile zurückgetretene Bürgerdeputierte Henrik Haffki sagt: „Das Scheitern des Bürgerbegehrens im Sonderausschuss steht bevor. Unsere Initiative ist nicht die erste, die feststellen muss, dass sie auf der parlamentarischen Ebene hingehalten und beschäftigt wird. Der Druck auf die Politik muss von der Straße und über medienwirksame Aktionen kommen, sonst wird sich nicht viel bewegen.“ Bei den Vertreter/innen der „Realos“ stößt solche Kritik auf wenig Gegenliebe und deren Sprecher Carsten Joost warf den „Spreepirat_innen“ vor, sie würden mit ihrem „Quatsch“ die gesamte Kampagne gegen Mediaspree „versenken“. Joost sieht ohnehin in allen Kritiker/innen der Ausschussarbeit „Durchgeknallte“ am Werk, die gemeinsame Sache mit Investor/innen und „bestimmten Parteien“ machten. Dabei bedient sich Joost selbst fragwürdiger Mittel: So entschuldigte er sich schriftlich bei Investorenvertretern für ein kritisches Transparent, welches Mitglieder der Initiative während einer Ausschusssitzung entrollt hatten. Bei einer Sitzung der Initiative ging er einen Kritiker sogar körperlich an. Der Konflikt innerhalb der Gruppe der Mediaspreegegner/innen erreichte damit einen ersten Höhepunkt. Es fragt sich nur, was letztendlich versinkt – die Mediaspree oder deren Gegner/innen.

Benedict Ugarte Chacón

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6 Antworten zu “Mediaspree: Versenken oder verbessern?”

  1. Zu den Spreepirat_innen ließe sich noch sagen, dass sie sich nach der Organisation der sogenannten „Kiezspaziergänge“ vor allem der Frage der steigenden Mieten zugewandt haben: Gentrification und so. Dabei haben sie allerdings in letzter Zeit auch nicht mehr so viel zum engeren Thema Media-Spree gemacht.
    http://kreuzberg-info.de/pirati/
    Obwohl auch gute Anlässe da gewesen wären, z.B. die hier im Artikel gar nicht genannte Auflösung des Media-Spree e.V., der das sogenannte Regionalmanagement betrieben hat, also die öffentlichen Gelder zum Zwecke des an privaten Interessen orientierten Standort- und Immobilienmarketings genutzt hat. Die Förderung war im Sommer ausgelaufen, und Ziel der Investorengemenschaft hätte es sein sollen, den Verein und das Media-Spree-Marketing selbst in die Hand zu nehmen. Dies ist dann offenbar gescheitert: Die Immo-Entwickler und Grundstückseigentümer waren wohl nicht bereit, die Kosten zu tragen. Und so wurde Media Spree e.V. sang- und klanglos zum Jahresende 2008 aufgelöst.
    Die Auflösung mag – wer weiß das schon – auch dem Umstand geschuldet sein, dass das Marketing-Projekt Media-Spree nach jahrelanger Presse- und Lobbyarbeit aufgrund der Kampagne „Media Spree versenken!“ nach hinten losgegangen war, eine geradezu desaströsen Ausgang nahm: Wo man zunächst eine enorme Deutungshoheit bezüglich der Umstrukturierung der Spreeufer erreicht hatte – z.B. in der Lokalpresse – war spätestens seit dem Bürgerbegehren hauptsächlich von Protest und Widerstand die Rede.

  2. Ob der schlechte Ruf von Mediaspree wirklich so nachhaltig durchgedrungen ist, darf bezweifelt werden, wenn man die Angebote auf dem Immobilienmarkt durchstöbert. Immer noch werden Miet- und auch Eigentumswohnungen damit beworben, dass sie im oder nahe am Mediaspree-Gebiet liegen.

  3. Auf dieser MS-Versenken-Seite steht:

    „Dass sich der Autor des Mieterecho-Artikel im engsten Umfeld des ausgetretenen Deputierten befindet…“

    Aha!
    So ist das also!

  4. “Dass sich der Autor des Mieterecho-Artikel im engsten Umfeld des ausgetretenen Deputierten befindet…�?

    Homophober dreck. An dieser stelle würde ich einen Grundkurs in politischen Bewusstsein empfehlen.

  5. Pressegeflügel

    Ach du meine Güte, da ist man sich vonseiten der AG Spreeufer also nicht zu schade, sich nochmals in aller Deutlichkeit vom Protest gegen die O2-Welthalbkugel zu distanzieren. Denn was anderes bedeutet es, wenn ein Transparent auf der Ausschusssitzung „nicht von ihnen“ gewesen sein soll. Traurig dabei: Man hätte gehofft, dass sich die Sonderausschüssler/innen quasi als parlamentarischer Arm einer größeren Bewegung empfunden hätten. Das scheint aber nun nicht der Fall zu sein, so eng, wie hier das „wir“ bzw. die Abgrenzung zum „Publikum“ gefasst wird.

    Noch so ein Schmankerl: „Dass sich der Autor des Mieterecho-Artikel (…) ähnlich wie viele RadikalkriterInnen das baldige Scheitern des Bürgerentscheides wünscht, liest sich in und zwischen den Zeilen. Dieser Umgang mit dem Bürgerwillen ist insgesamt höchst bedauerlich.“ – Dass sich der Autor dieser „Zeitungsentchen“ eine Kritik an der Arbeit im Ausschuss wohl nur als Sabotage am großen Werk des Bürgerentscheids vorstellen kann, wird hier wieder einmal bestätigt. Klar, wer könnte schon auf die Idee kommen, „50 Meter freier Uferstreifen“ (Wortlaut Bürgerentscheid) und das Einlassen auf ein Feilschen um ein paar Meter hier und dort (Arbeit im Sonderausschuss) seien nicht ein und das selbe…

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