Tempelhof muss offen bleiben


Der Böse Wolf erklärt Berlin

Tempelhof muss offen bleiben!

Nach dem Ende des Flugbetriebs drohen Privatisierung, „Aufwertung“ und die Verdrängung ärmerer Bevölkerungsschichten.

„Ick zahl doch nicht für ’n VIP-Flughafen“ und andere geistreiche Parolen haben sich die Gegner des Flughafenbetriebs in Tempelhof ausgedacht, sie auf Plakate gedruckt und in der ganzen Stadt aufhängen lassen. Diese Kampagne lassen sich SPD und DIE LINKE, die mit den Grünen, der AWO und diversen anderen Gruppierungen Teil des „Bündnisses für ein flugfreies Tempelhof“ sind, jeweils um die 50.000 Euro kosten. Immerhin besteht hier eine relative Transparenz der Finanzierung, wohingegen die Befürworter des Flugbetriebs von ICAT und anderen mit Details zur Finanzierung ihrer Kampagne weitestgehend zurückhaltend sind.

Um eines vorweg zu nehmen: Die Kampagne von ICAT, CDU und Gunter Gabriel ist piefig und ihre Zielvorstellungen zum Flughafen sind Blendwerk. Das Schlimme an der Sache ist, dass es sich mit der Kampagne des Bündnisses gegen den Flugbetrieb genauso verhält.

Selbstverständlich ist es für die Anwohner nervtötend, wenn Flugzeuge über ihre Dächer donnern. Und selbstverständlich ist der Flugbetrieb in Tempelhof verkehrspolitisch unnötig. Aber die Gegner des Flugbetriebs suggerieren mit ihrer Kampagne, dass nach dessen Ende im Herbst 2008 eine Art Naturpark mit Kornblumenwiesen und Ententeichen auf dem Flugfeld entsteht, gesäumt von ein paar neu zu errichtenden und metropolenwürdigen „Quartieren“, die – das versteht sich ja von selbst – Tempelhof zum „Zukunftsstandort“ machen sollen.

Und hier liegt der Hase im Pfeffer: Es existiert bislang weder ein standfestes Baukonzept noch ein Konzept zu dessen sozialer und stadtpolitisch vernünftiger Umsetzung. Immerhin geht es um ein Areal von 386 Hektar, fast doppelt so groß wie der Tiergarten. Wenn man die Stellungnahmen von Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer liest, fühlt man sich entweder an einen kleinstädtischen Immobilienfondsprospekt („…werden diese Quartiere die Möglichkeit bieten, mitten in der Stadt und doch im Grünen zu wohnen.“) oder an die gute alte Zeit erinnert, als sich Berufsberliner wie Diepgen und Landowsky noch im Metropolenwahn ergingen („…außerordentliche Chancen für die Metropole Berlin.“). Auch von der grünen Fläche, die einen großen Teil des neu gestalteten Areals ausmachen soll, ist Frau Junge-Reyer begeistert: „Die Parklandschaft Tempelhof ist nicht nur ein Park, sie ist die Verbindung von erlebter Landschaft und Weite mit der Funktion eines Parks.“ Laut der vorläufigen Planung des Landes Berlin soll diese erlebte Landschaft umgeben sein vom „Tempelhofer Forum – Adresse für Kultur-, Medien und Kreativwirtschaft“, dem „Stadtquartier Tempelhof – Adresse für Zukunftstechnologien“, dem „Columbia-Quartier – Adresse für innovatives Wohnen“ und dem „Stadtquartier Neukölln – Adresse für städtisches Wohnen am Park“. Insgesamt sollen auf dem Flughafengelände ca. 5.000 Wohnungen entstehen und natürlich auch Tausende von Arbeitsplätzen.

Man sollte jedoch nicht meinen, diese hübschen Pläne würden bald und zügig umgesetzt. Im Gegenteil, der Senat hat irgendwie verschnarcht, dass der Flugbetrieb schon in diesem Jahr beendet wird und einen „Ideenwettbewerb“ für die konkrete Gestaltung der geplanten „Quartiere“ erst für diesen Sommer ausgerufen. Ab 2009 soll dann mit der Vermarktung des Areals begonnen werden, ab 2012 soll gebaut werden. Falls die Eigentumsverhältnisse zwischen Bund und Land bis dahin geklärt sein sollten. Vermarktung bedeutet wohl, dass außer der erlebten Parklandschaft der Rest des Areals parzelliert und verkauft wird. Als Käufer werden sich schon die richtigen finden. Wenn wir uns, um nah beim Thema zu bleiben, an die mafiösen Grundstücksgeschäfte rund um das Areal des Flughafen Schönefeld/BBI erinnern, steht schnell zu vermuten, dass die Baumafia auch hier zuschlagen wird. Vielleicht mit dem Unterschied, dass diesmal auch international tätige Heuschrecken mitmischen.

Und das war es dann auch mit der wohlfeilen Illusion der Flughafengegner, hier würde irgendetwas „für alle Berlinerinnen und Berliner“ geschaffen. Hier werden moderne Büros, teure Wohnungen und exklusive Lofts entstehen – bei Junge-Reyer heißt das eben „Arbeitsplätze und innovatives Wohnen“. Aus dem angeblichen VIP-Flughafen wird ein VIP-Wohnbereich. Und damit nicht genug. Unter der Hand sprechen SPD und LINKE davon, dass das gesamte Gebiet um den ehemaligen Flughafen – also Teile von Tempelhof, Neukölln und Kreuzberg – „aufgewertet“ werden soll. Und „Aufwertung“ heißt in erster Linie: Steigende Mieten. Die Menschen, die die hohen Mieten zahlen können, werden die Sicht auf die erlebte Parklandschaft weiterhin genießen. Wer nicht so viel Geld hat, der muss eben woanders hinziehen. Man kennt das ja zum Beispiel aus Prenzlauer Berg. Profitieren wird von dem ganzen Projekt in erster Linie die Baumafia – und zwar über Jahre. Hier hat sich der rot-rote Senat eine gewisse Kontinuität zu seinen Vorgängern bewahrt.

Eine Schließung von Tempelhof als Flughafen bedeutet also nicht unbedingt etwas Gutes für Berlin und seine Bevölkerung. Durch die Privatisierung des zu bebauenden Flughafenareals wird es, das lehrt die Berliner Erfahrung, schwer oder unmöglich werden, auf die Bebauung im Sinne einer sozial ausgewogenen Stadtpolitik Einfluss zu nehmen. Dass der Berliner SPD das egal ist, sollte bei deren Geschichte nicht verwundern. Dass die Grünen als das Öko-Gewissen besserverdienender Kreise dieses Problem gar nicht sehen, verwundert auch nicht. Eher verwunderlich ist, dass die DIE LINKE außer der platten Botschaft „Tempelhof schließen“ überhaupt nichts zu bieten hat. Und dabei trägt sie mit ihrer ideen- und inhaltslosen Agitation ungewollt zum Ausschluss ärmerer Bevölkerungsteile aus dem schönen neuen Tempelhof bei. Wäre die DIE LINKE nicht so zahnlos, müsste gerade sie – als Teil der Regierung – sich offensiv dafür einsetzen, dass das neue Tempelhof offen bleibt – und zwar für alle, nicht nur für die Latte-Macchiato-Fraktion.

Benedict Ugarte Chacón

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8 Antworten zu “Tempelhof muss offen bleiben”

  1. Da der Senat oft genug gesagt hat, dass ihn das Ergebnis des Volksentscheids am 27. 4. nicht kümmern wird, bin ich ausnahmsweise mal der gleichen Meinung wie der Senat: Alles egal, macht was Ihr wollt.

  2. dann hilft nur eines eine geringe wahlbeteiligung und daß die pro und contras sich die waage halten, daß alles vorgeschlagene scheitert.

  3. Wenn man wissen will, weshalb die Linke in dieser Stadt auf den Hund gekomme ist, dann ist dieser Text sehr aufschlussreich.
    In Tempelhof geht es um die Nutzung des größten innerstädtischen Areals seit Jahrzehnten und was fällt der vorgeblich so radikalen Linke dazu ein? Nichts!
    Und weil das so ist, plädiert man lieber dafür, diese riesige Fläche der privaten Nutzung durch ein paar private Fluggesellschaften zu überlassen. Großartig!

    Ja, Tempelhof ist umkämpftes Gebiet, das mit verschiedensten Interessen und auch Begehrlichkeiten verbunden ist. Diese Auseinandersetzung gilt es zu führen, nicht sie zu beerdigen, nur weil man aufgrund eigener Schwäche darin nicht vorkommt.
    Nein, es gibt keine Garantie dafür, dass nach einer Schließung dort auch Dinge entstehen, die man sich vielleicht weniger wünscht. Aber soll man sich deshalb dort einen Flughafen wünschen? Wessen Intersse vertritt man denn mit einer solchen Ignoranz? Ganz bestimmt nicht die der Anwohnerinnen und Anwohner.

    Die hier ins Spiel gebrachte Sorge der Anwohner/innen vor einer möglichen Aufwertung ihrer Quartiere ist insofern ernst zu nehmen als damit möglicherweise steigende Mieten in Verbindung stehen. Doch die hier eingeschlagene Logik ist zynisch. Läuft sie doch darauf hinaus, dass man es als Alternative für angebracht hält, diese Menschen permanenter Lärm- und Dreckbelastung auszusetzen. Ist das eine linke Strategie? Mit gesundheitsgefährdenden Krach und Abgasen gegen steigende Mieten? nicht lange, nicht gut- aber dafür billig leben?

    Und das nur, weil man sich selbst nicht mehr zutraut, dem auf eine andere Art und Weise was entgegen zu setzen. Was für kapitulantenhafte Haltung! Links ist das nicht.

    Darum Tempelhof dicht machen und darum mit NEIN stimmen.

    Und was den Experten für Alles, Herr Ugarte Chacon, betrifft, der weiß natürlich mal wieder ganz genau bescheid. Ganz investigativ, weiß er natürlich auch, was „SPD und LINKE unter der Hand“ so planen. Mit derart Prognosen hat er zwar schon hinsichtlich des Verkaufs der Bankgesellschaft daneben gelegen, wo er ja auch prophezeite, dass diese keinesfalls an den Sparkassenverband und auf jeden Fall an einen großen Privatinvestor geht. Aber nun ja, bei manchen wird halt nicht so genau hingeschaut, wie ernstzunehmen ihre Prognosen sind. Hauptsache es geht gegen die „verräterische“ Linke.

  4. 1. Wenn Sie meinen Text ganz gelesen hätten, würden Sie verstanden haben, dass sich die Vokabel „Tempelhof“ auf den Stadtbezirk bezieht – nicht auf den Flughafen.
    2. Wenn Sie das rot-rote Sparkassengesetz gelesen hätten (und verstanden) wüssten Sie, dass die Berliner Sparkasse damit einer privatrechtlich organisierten Bank gleichgestellt wurde.
    3. Was „links“ ist, ist mir scheißegal.

  5. Aber wo ist denn jetzt die Linkspartei, die angeblich immer sich einsetzt für die Sozial Schwachen? Der Text ist doch nicht gege diese Partei gerichtet, sondern ein Aufruf zu einem anderen Umgang mit dem Gelände des Flughafens. Was ist daran falsch?

  6. @B.K.
    das müssen sie die Linkspartei fragen, nicht mich.
    Was ich kritisiere, ist eine Haltung, die letztlich ins Gegenteil schlägt, von dem, was sie vorgibt zu sein:

    „Eine Schließung von Tempelhof als Flughafen bedeutet also nicht unbedingt etwas Gutes für Berlin und seine Bevölkerung. Durch die Privatisierung des zu bebauenden Flughafenareals wird es, das lehrt die Berliner Erfahrung, schwer oder unmöglich werden, auf die Bebauung im Sinne einer sozial ausgewogenen Stadtpolitik Einfluss zu nehmen.“

    Wenn eine Schließung „nicht unbedingt etwas Gutes“ bedeutet (was in dieser Welt bedeutet schon unbedingt etwas Gutes???), warum soll man sich dann dafür einsetzen, dass das Ding geschlossen wird?
    Aber bedeutet es auch etwas „Gutes“, wenn der Flughafen offen bleibt? Ich glaube nicht.
    Vielmehr glaube ich, dass die Schließung zunächst einmal die Voraussetzung dafür bildet, dass es eine Auseinandersetzung darüber geben kann, welcher Nutzung das Gelände zugeführt wird.
    Da kann man ja Kritik an den Plänen der einen und der Planlosigkeit der anderen haben. D`accord. Doch selbst hat man das Thema offenbar auch ziemlich verschnarcht. Das einzugestehen und Schlussfolgerungen draus zu ziehen, fände ich angebrachter als mit den Fingern auf andere zu zeigen.

  7. …“HEUSCHRECKEN“?!

    ansonsten: Ossis, stimmt mit NEIN und rächt Euch für den Abriss des Palastes der Republik! ;D

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