Ehemaliges Gästehaus der Regierung der DDR
Einst für Staatsgäste gebaut – heute befreite Zone auf der Kehrseite kapitalfundierter Verhältnisse
Weder Architektur noch Städtebau des wiederaufgebauten Berlins sind verkehrt, vielmehr gilt es, den Blick auf diese Hinterlassenschaften und den Umgang mit ihnen zu kritisieren. Dieses Gebäude ist ein Exempel, um die Verfahrensweisen zu verdeutlichen, wie mit „unliebsamer“ Kunst und nicht-anerkannter Architektur umgegangen wird. An und in diesem Haus wird nun seit geraumer Zeit Kunst am Bau sowie der Bau an sich zerstört. Dazu gehören: Das Emailfries über dem Haupteingang „Tauben und Weltkugel“, die farbigen Glasfenster im Treppenhaus, die Keramik-Wand im Garten „Erde, Wasser, Feuer, Luft“ und die denkmalgeschützten Säle im Erdgeschoss.
Doch der Vandalismus – der direkte Vorgang der Beschädigung – ist nur die letzte sichtbare Stufe eines umfassenden und generellen gesellschaftlichen Entwertungs- und Zerstörungsprozesses. Dass eigentlich nutzbarer und zur Verfügung stehender Raum derartige Prozesse der Zerrüttung durchläuft, verdeutlicht die Logik eines entfesselten und entgrenzten Kapitalismus, der Menschen aus der Gesellschaft aussondert und sie als überflüssige Restmasse an den Nabel des neoliberalisierten Staates geißelt. Aber gerade die physischen Zerrüttungen der entwerteten Orte und die überflüssiggemachten Menschen an den gesellschaftlichen Rändern bilden ein sozial entkoppeltes Feld, teils innerhalb, teils neben den herkömmlichen gesellschaftlichen Logiken. In diesen befreiten Zonen – Orte und Gebiete, in denen die gewohnten gesellschaftlichen Strukturen nicht mehr funktionieren – können sozialstrukturelle Neudeutungen vollzogen werden, woraus sich veränderte gesellschaftliche Räume und Gestaltungsmöglichkeiten ergeben.
Was vermittelt die Zerstörung dieses Ortes konkret? Was Sie hier sehen, erleben, empfinden und denken, liegt ganz bei Ihnen. Denn es gibt hier keine Vorschriften oder gar funktionierende Strukturen, die Ihre Gedanken in gewohnte Schemata einbetten. Sie sind hier weder vor den gesellschaftlichen Verhältnissen noch vor den Verhältnissen in sich selbst geschützt. Sie befinden sich auf einem Feld der Gedankenproduktion. Herzlichen Glückwunsch auch an Sie, da Sie gerade fremder oder undefinierter Struktur begegnen sowie individuelles und gesellschaftliches Neuland betreten. Viel Vergnügen beim Bestaunen und Entdecken!
Eine Antwort zu “Vom Gästehaus zur Ruine”
Im Magazin des Berliner Mietervereins gibt es einen recht interessanten Artikel über das ehemalige Kaderviertel am Majakowskiring, doch leider wird das neuerbaute Gästehaus fast vollständig ignoriert:
http://www.berliner-mieterverein.de/magazin/online/mm0209/020928.htm